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Josef Muchitsch über Werner Faymann: "Er hat die Chance auch nach der Wahl zu beweisen, dass es ihm ernst ist. Ich habe die Hoffnung, dass auch bei einer SPÖ-Regierungsbeteiligung eine Berücksichtigung der Gewerkschafter stattfindet".

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Die Kluft zwischen der SPÖ und der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) sei bereits "ziemlich geschlossen", meint SP-Nationalratsabgeordneter und Gewerkschafter Josef Muchitsch im Gespräch mit derStandard.at. Nach der Wahl habe Faymann die Chance "zu beweisen, dass es ihm ernst ist" mit der Einbindung der Gewerkschaften. "Alles andere wäre für uns GewerkschafterInnen eine Enttäuschung". Soll Gusenbauer auch als Kanzler gehen und Faymann das Feld überlassen? "Ich glaube, dass es dazu mittlerweile zu spät ist". Wieso er Alfred Gusenbauer vermisst, wer die konstruktiven Kräfte in der ÖVP sind und wieso er bezüglich Rot-Blau aus der Parteilinie ausschert, darüber sprach Muchitsch mit Anita Zielina.

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derStandard.at: Haben sie schon Schimpfe von der Parteispitze bekommen nach Ihrem Streitgespräch in der "Kleinen Zeitung"?

Josef Muchitsch: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, das Echo war durchaus positiv. All jene die schimpfen wollten, haben sich wahrscheinlich bis dato nicht getraut.

derStandard.at: Ich spiele darauf an, dass Sie darin ja im Gegensatz zu Ihrem Parteichef Rot-Blau nicht ausschließen wollen.

Muchitsch: Das ist meine persönliche Meinung auf Grund meiner Erfahrungen mit der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene. Das habe ich auch im Klub vertreten, nehme aber zur Kenntnis, dass diesbezüglich bundesweit offenbar eine andere Meinung herrscht.

derStandard.at: Abgesehen vom regionalen Bereich, in ideologischen Grundfragen wird's mit der FPÖ wohl schwierig?

Muchitsch: Es gibt bei den Themen Reibungspunkte zwischen allen Parteien. Mit den Freiheitlichen sind sicher das Thema Integration und Ausländerpolitik die größten Reibungspunkte, wo auch ich mir auf Bundesebene eine Einigung nur sehr schwer vorstellen kann.

derStandard.at: Was sind die Reibungspunkte mit der ÖVP?

Muchitsch: Das ist weiterhin vor Allem die Tendenz seitens der Schwarzen, der SPÖ bei jeder Gelegenheit eins auszuwischen. In den ersten zwölf Monaten hat die Koalition, behaupte ich, ganz gut funktioniert. Aber seit Ostern hat die Volkspartei bereits an ihrem Neuwahlplan geschmiedet. Das machen sie leider seit 1995 so, wenn die Umfragewerte gut sind, kündigt die ÖVP Koalitionen auf. 1995 mit der SPÖ und 2002 mit der FPÖ.

derStandard.at: Man könnte jetzt gemein sein und sagen: Reichen diese Erfahrungen seit 1995 nicht, damit die SPÖ daraus lernt?

Muchitsch: (lacht) Wir sind eine Partei, die ganz generell an das Gute im Menschen glaubt. Ich war schon der Meinung, dass die Lösung der Probleme der ÖVP wichtiger sind, als ihr Geltungsdrang nach Macht. Ich hoffe nur, dass die Wählerinnen und Wähler das auch so sehen und dies am Wahltag berücksichtigen.

derStandard.at: Sie treffen in Ihrem Wahlkreis auf Martin Bartenstein und haben ihn aufgefordert, ein Fairnessabkommen zu unterzeichnen - glauben Sie, dass er untergriffige Aktionen plant?

Muchitsch: Ich persönlich traue Martin Bartenstein keine Untergriffe zu, aber im Hintergrund werken andere Kräfte, auf die auch er keinen Einfluss hat. Auf Landes- und Bundesebene können wir das ohnehin nicht beeinflussen, da bestimmen Generalsekretäre und Wahlkampfleiter. Aber im regionalen Wahlkampf können wir dafür sorgen, dass alles fair abläuft.

derStandard.at: Sie haben auch gesagt die ÖVP hätte in der zweiten Reihe durchaus konstruktive Kräfte, wer sind diese guten Leute?

Muchitsch: Ich will jetzt keine Namen nennen, um ihnen keinen Schaden zuzufügen. Aber es gibt genug Menschen, mit denen man konstruktiv arbeiten kann. Einige wenige da oben verhindern das immer wieder.

derStandard.at: Wer sind die, die verhindern?

Muchitsch: Auf ÖVP-Seite sind das Molterer und Schüssel, die anscheinend die Niederlage 2006 nie verkraften konnten.

derStandard.at: Sie haben gesagt, Ihre Hauptangst wäre Schwarz-Grün - wieso?

Muchitsch: Ich denke, das würde in Wahrheit ein schwarz-graues Koalitionspapier sein. Ich befürchte, dass die Grünen von sämtlichen Punkten abrücken, die sie bisher vertreten haben, erste Anzeichen dazu gibt es ja schon. Und dann haben wir eine schwarz-graue Regierung mit einem grünen Schattendasein, um den Wunsch nach dem einen oder anderen Ministerposten oder Vizekanzlerposten zu erfüllen. Gusenbauer hat man die Sandkiste vorgeworfen, bei den Grünen wäre es dann der Traum vom Vizekanzler und einigen Ministerposten.

derStandard.at: Bei der Kritik an Gusenbauer, die auf seinen „Gesudere-Sager" gefolgt ist, haben Sie ihn verteidigt. Vermissen Sie Alfred Gusenbauer als Parteichef?

Muchitsch: Ich vermisse den Alfred Gusenbauer als Person, als Politiker, der ein derartiges Wissen, Erfahrung und Kompetenz eingebracht hat. Das wird der Partei sicherlich fehlen. Ich stehe auch nach wie vor dazu, dass man gewisse Botschaften nicht über die Medien ausrichtet, sondern in den Gremien bespricht, wo sie hingehören.

derStandard.at: Sie spielen auf Gabi Burgstaller an?

Muchitsch: Da haben sich einige, sogar sehr viele daran beteiligt.

derStandard.at: Soll Gusenbauer das Kanzleramt an Faymann abgeben?

Muchitsch: Ich glaube, dass es dazu mittlerweile zu spät ist.

derStandard.at: Es wäre aber gut gewesen?

Muchitsch: Es wäre sicher eine Möglichkeit gewesen, Werner Faymann im Wahlkampf stärker darzustellen und den Bekanntheitsgrad österreichweit zu steigern.

derStandard.at: Sie haben einmal gesagt, Sie hoffen, dass Faymann die Kluft zwischen SPÖ und FSG wieder ganz schließt. Ist ihm das gelungen?

Muchitsch: Die Kluft ist bereits ziemlich geschlossen. Es wird Werner Faymann sicher auch gelingen, die letzten Risse zu kitten. Ich habe diese Trennung nie verstanden, und ich bin froh dass es wieder anders ist.

derStandard.at: Haben Sie keine Angst, dass er diese Annäherung nur als "Wahlkampfgag" nützt, um die Gewerkschaften im Wahlkampf hinter der SPÖ zu versammeln?

Muchitsch: Werner Faymann hat die Chance auch nach der Wahl zu beweisen, dass es ihm ernst ist. Ich habe die Hoffnung, dass auch bei einer SPÖ-Regierungsbeteiligung eine Berücksichtigung der Gewerkschafter stattfindet. Alles andere wäre für uns GewerkschafterInnen eine Enttäuschung. (derStandard.at, 4. 8. 2008)