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Ins glanzvollere Havanna der 50er-Jahre taucht Mario Conde, der uns schon im Zyklus des "Havanna-Quartetts" begleitet hat, ein. Conde hat vor zehn Jahren den Polizeidienst desillusioniert quittiert. Er ernährt sich vom Aufstöbern und Verkauf alter Bücher. Der Kriminalfall entwickelt sich ganz langsam: In der wertvollen Bibliothek betagter Geschwister stößt Conde auf wahre Schätze. Die beiden Alten müssen die Bücher verkaufen, um nicht zu verhungern. Mario findet in einem Buch einen vergilbten Zeitungsausschnitt, in dem von einer bekannten Bolerosängerin berichtet wird, die sich plötzlich entschlossen hat, für immer mit dem Singen aufzuhören.

Das Schicksal dieser Frau beschäftigt ihn, er versucht herauszubekommen, was vor 40 Jahren aus ihr geworden ist, und erfährt, dass sie sich angeblich umgebracht hat. Ihre einzige Schallplatte war im Besitz von Condes Vater, im Schrank unter dem Krimskrams der Jahrzehnte vergraben; Kindheitserinnerungen fallen über Conde her. Leonardo Paduras Rückblick in die jüngere Geschichte Kubas ist nostalgisch. Es ist das Havanna vor der Revolution, das beschrieben wird, das Havanna der Nachtklubs, der Musik und der Filmstars. Paduras Drama um eine verlorene Liebe ist ein verzaubertes Labyrinth für Bücherliebhaber voll Verweisen auf kubanische Historiker und exotische Werke. Die Enttäuschung über die politische Entwicklung in der Gegenwart ist der Kontrast, vor dem die Geschichte zu leuchten beginnt. Ingeborg Sperl

Leonardo Padura, "Der Nebel von gestern". Deutsch: Hans-Joachim Hartstein. € 20,50/359 Seiten. Unionsverlag, Zürich 2008.