ZUR PERSON: Andreas Gruber (53) wurde mit seinem Dokumentarfilm "Hasenjagd" 1994 als Filmemacher bekannt. Von 1991 bis 1994 war Gruber für die ÖVP Kulturstadtrat in seiner Heimatstadt Wels. Seit 1995 ist er Vorsitzender des Linzer Vereins SOS Menschenrechte.

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STANDARD: Was verbinden Sie eigentlich mit Ihrem Heimatland Oberösterreich?

Gruber: (lacht) Also in erster Linie noch meinen Wohnsitz, und ich wohne noch immer gerne in Oberösterreich. Aber ich finde es gut, durch meine Professur an der Filmhochschule in München zu Oberösterreich auch einen Abstand und damit eine gewisse Außensicht gewonnen zu haben.

STANDARD: Und wie sieht sich Oberösterreich von außen an?

Gruber: Man ist ein bisschen weg aus den komischen Perspektiven, und das tut ganz gut. Die Perspektive, die sich bei mir am meisten verändert hat: Ich bin für meine Dokumentarfilme viel auf Reisen, und das Bild, das sich dadurch im Laufe der Jahre stark manifestiert hat, ist: Den Oberösterreichern hier geht es sehr gut! Und ich merke, wie ich zunehmend allergisch reagiere auf die österreichische Dauersuderei.

STANDARD: Jammern auf hohem Niveau, meinen Sie das mit komischen Perspektiven?

Gruber: Ja, komische Perspektiven entstehen, wenn man eigentlich nie aus dem Hamsterrad herauskommt, Dinge nicht in Vergleich setzt, Perspektiven nicht erweitert, das ist meine ganz persönliche Erfahrung.

STANDARD: Hat sich die Perspektive in Oberösterreich durch die Regierungsbeteiligung der Grünen verändert?

Gruber: Ich finde das Modell gut und sehr spannend. Ich bin sehr froh über die schwarz-grüne Koalition, weil dadurch in manchen Situationen Menschenrechte zumindest immer wieder thematisiert werden. Ich habe das Gefühl, dass die Menschenrechte in Österreich nicht mehr geschätzt werden. Das Thema wird so ungeheuer platt und undifferenziert diskutiert. Auch was bei der Energie AG gemacht wurde, finde ich gut: Dass Schwarz-Grün den Mut gehabt hat, auf Plan B zurückzugehen, ist politisch unheimlich klug gewesen.

STANDARD: Dazu hat sich die schwarz-grüne Koalition doch gezwungen gesehen, weil die SPÖ mit der Unterschriftenaktion gegen den Börsengang der Energie AG mobil gemacht hat.

Gruber: Mit politisch klug meine ich, ohne Plan B hätte dieses Thema Oberösterreich zwei Jahre lang in einer Art und Weise beherrscht, die nicht gut gewesen wäre. In der Politik, wo es nur um Sieg oder Niederlage geht, kommt es so selten vor, dass einer zurückgeht. Diesen Rückzieher halte ich für einen klugen Schachzug.

STANDARD: Waren es nicht parteistrategische statt sachlich begründeter Überlegungen von Schwarz-Grün, um der SP für die Landtagswahl 2009 nicht die nötige Munition zu liefern?

Gruber: Ich habe die Befürchtung, dass ohnehin genug Populismus betrieben wird. Politik ist heute Popkultur. Tendenziell geht es um die Vermarktung der Köpfe, um die Fragen, bei welchen Medien bin ich drinnen, welche Themen kommen an, wo ecke ich nicht an. Das ist der allerkleinste gemeinsame Nenner, damit kann man keine ernsthafte Politik machen.

STANDARD: 2009 wird nicht nur gewählt, Linz ist dann auch europäische Kulturhauptstadt? Welche Erwartungen haben Sie an diese kulturelle Großveranstaltung?

Gruber: Es geht jedenfalls nicht um eine Präsentation auf internationalem Parkett - mit möglichst einem Knaller. Es ist nicht Aufgabe der Kunst, den Fremdenverkehr anzukurbeln. Für mich geht es um die Frage nach der Identität der Stadt. Der schwierige Prozess aber ist, das herauszufinden und zu definieren und darauf in künstlerischen Ausdrucksformen eine Antwort zu geben. Ich selbst arbeite an keinem Projekt mit. Ich habe 2009 ein ganz spezielles Videoprojekt: Der 50. Todestag von Alfred Kubin. Mich würde freuen, wenn es auch für Linz '09 Anknüpfungspunkte gibt. (Kerstin Scheller; DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2008)