Typische Formen aus der Feder des Hannes Wettstein.
Fahrrad "Twenty"

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Sessel "Juliette"

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Leuchte "Scope"

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Uhr "Alpha"

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"Es gibt keine Funktion, die nicht in die passende Form gebracht werden könnte", lautete einer seiner Zugänge.

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Gerade das ergab seine klare und typische Formensprache.

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Der Star-Kult um Möbeldesigner war seine Sache nicht. Hannes Wettstein arbeitete lieber im Hintergrund. Und doch war er einer der wenigen Schweizer Designer, der es international weit brachte. In seiner mehr als 20-jährigen Karriere hat er für zahlreiche Möbelhersteller gearbeitet, darunter Marken wie Cassina, Baleri und Molteni. Hannes Wettstein ist vor kurzem im Alter von 50 Jahren in Zürich an Krebs gestorben.

Zeitlebens ging es dem in Ascona geborenen Designer um nichts weniger als Archetypen: "Mich interessiert die Essenz der Dinge", sagte er. Der gelernte Hochbauzeichner, der als Autodidakt zum Design kam, suchte nach neuen Typologien für Sessel, Leuchten, Fahrräder, Küchen oder Uhren. Mit Erfolg. Seine vielfach preisgekrönten Produkte sind einfach im Gebrauch und formal schlicht, häufig zeigen sie erst auf den zweiten Blick, was sie in Sachen Funktionalität drauf haben. Wettstein näherte sich seinen Archetypen stets auf dem Papier. "Ich habe immer gezeichnet", erklärte er, der stets einen Füller parat hielt, um auf jede verfügbare Unterlage zu zeichnen.

Funktionale Schreibtischleuchte "Scope"

Seine ersten Erfolge verbuchte Hannes Wettstein mit Niedervoltsystemen für den Leuchtenhersteller Belux im Jahr 1982. Die auf Drahtseile gespannte Niedervolt-Leuchte "Metro" wurde zum Klassiker, der bald schon kopiert wurde. Im selben Jahr der Entstehung dieses Bestsellers machte sich Wettstein selbständig, zehn Jahre später gründete er im Zürcher Seefeld das Büro "Zed". Mit Leuchten setzte Wettstein im Laufe seiner Karriere einige Meilensteine. So entwickelte er 2007 die funktionale Schreibtischleuchte "Scope" für Belux. Die Leuchte lässt sich ohne Gegengewichte und Drahtzüge mit nur einem Finger verstellen - dank einem neuartigen, ausgeklügelten Verstellmechanismus. Wo andere Arbeitsleuchten ihre mechanische Konstruktion häufig prahlerisch zur Schau stellen, sind bei der Wettsteinschen Leuchte Federn und Seilzug in deren Arm versteckt - typisch für den Geschmack Wettsteins.

Eine klare Formensprache und hohe Funktionalität charakterisierte auch sein Möbeldesign. Für Baleri Italia zum Beispiel entwarf er eine ganze Reihe minimalistischer Möbel: Bereits das erste Projekt, der reduzierte und eher elegant daherkommende Stapelstuhl "Juliette" (1987), machte Wettstein mit einem Schlag international bekannt. Es folgten Sitzmöbel wie der klassische Holzstuhl "Lyra" (2005) für die Manufaktur Horgen Glarus, aber auch modulare Sofasysteme wie "Delphi (2007) für den dänischen Möbelhersteller Erik Jørgensen.

Den Vielarbeiter reizten technologische Innovationen, aber auch neue Produktionsverfahren und Materialien. Wie bei dem Stuhl "Alfa" (2000) für Molteni, einem radikalen, häufig kopierten Entwurf: Der Stuhl entsteht aus der Rückenlehne, die in die Hinterbeine überläuft, und der Sitzfläche, die fließend in die Vorderbeine übergeht. Er hat nur eine einzige Materialstärke, die zugleich Konstruktion und Form bestimmt. "Manchmal ist ein Entwurf auf der Suche nach der richtigen Technologie", sagte Wettstein. Von der ersten Zeichnung bis zur Produktionsreife vergingen fast sieben Jahre. Erst ein Ingenieur von Molteni, der zuvor bei Ferrari die leichten Monocoques für Formel-1-Rennwagen hergestellt hatte, vermittelte ein geeignetes Verfahren: Glasfaserverstärktes Polyesterharz aus der Automobilindustrie.

Klare Linienführung und Formensprache

"Ich versuche, einen wiedererkennbaren formalen Stil zu vermeiden", erklärte Wettstein. Das methodische Herangehen an eine Aufgabe war für ihn oberste Pflicht, sein kritischer Blick war auch in Sachen Interieur-Design gefragt. Wettstein machte mit zahlreichen Innenraumgestaltungen für Bürogebäude, Hotels und Showrooms von sich reden. Häufig entstanden diese Projekte in Zusammenarbeit mit bekannten Architekten. Wettstein stattete beispielsweise sämtliche Zimmer und Suiten des von Rafael Moneo entworfenen Berliner Luxushotels Grand Hyatt aus. Ein besonders großes Publikum erreichte er jedoch mit dem Setdesign für das Schweizer Fernsehen, unter anderem für die "Tagesschau", "10 vor 10" und das "Sportpanorama". Eine klare Linienführung und Formensprache sowie eine bewusste Reduktion auf wenige, hochwertige Materialien charakterisierten seine TV-Bühnen. Wettstein gelang es außerdem, eine stimmige Corporate Identity zu schaffen, und dennoch die Senderäume eindeutig unterschiedlich zu gestalten.

"Es gibt keine Funktion, die nicht in die passende Form gebracht werden könnte", kann man auf der Website seines Designbüros lesen. Im Herbst 2007 noch hatte Wettstein die Struktur der Firma angepasst und den Geschäftsleiter Stephan Hürlemann zum Partner und Teilhaber gemacht. An ihm wird es nun sein, zusammen mit dem 20-köpfigen Team Hannes Wettsteins Designphilosophie weiterzutragen. (Andrea Eschbach/Der Standard/rondo/01/08/2008)