Der ehemalige Präsident der Republika Srpska wurde von zwei Gerichtspolizisten vorgeführt.

Foto: epa/Pavlevski

"Das ist er!" Die Belgrader Tageszeitung "Blic" brachte am Donnerstag auf Seite eins das erste Foto von Radovan Karadzic nach dessen Überstellung nach Den Haag.

Beim ersten Auftritt vor dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen klagte Radovan Karadžic über die Umstände seiner Verhaftung, beschuldigte den früheren US-Vermittler Holbrooke - und will sich selbst verteidigen.

*****

Den Haag - Der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadžic ist am Donnerstag erstmals dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag vorgeführt worden. Äußerlich unbewegt verfolgte Karadžic die Verlesung der Anklage. Ihm werden Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit währen des Bosnienkriegs von 1992 bis 1995 vorgeworfen.

Der sichtlich abgemagerte und gealterte 63-Jährige trat in der Rolle seines eigenes Anwaltes auf. Er habe einen "unsichtbaren Berater" , beantwortete Karadžic die Frage des Richters Alphonsius Orie zu seinen eventuellen Verteidigern. Die Entscheidung darüber, ob sich Karadžic auch im Gerichtsverfahren selbst verteidigen können wird, liegt beim Tribunal.

Zur Anklage äußerte sich Karadžic nicht. Die nächste Verhandlung findet am 29. August statt. Bis dahin wird auch überprüft, ob die Anklage noch geändert wird, wie der Generalstaatsanwalt erklärte.

Zusammen mit dem flüchtigen Ex-General Ratko Mladic wird Karadžic für die 43 Monate dauernde Belagerung Sarajewos und den Mord an 8000 bosnischen Muslimen in Srebrenica verantwortlich gemacht. Es handelt sich um die schwersten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der 63-Jährige war am 21. Juli verhaftet und am Mittwoch nach Den Haag gebracht worden. Er hatte unter falschem Namen mit langem Vollbart und wallender Mähne elf Jahre lang unerkannt in Serbien gelebt und als Arzt gearbeitet. Vor Gericht erschien er rasiert mit gekürzten Haaren in einem dunklen Anzug und sah damit fast wieder wie früher aus, als er Präsident der Serbischen Republik war. Der hagere Ex-Politiker antwortete zunächst knapp auf die Fragen des Richters, gab sich dann aber kampfbereit. So griff er den ehemaligen UN-Balkanvermittler Richard Holbrooke aus den USA an. "Wenn Holbrooke meinen Tod wünscht und bedauert, dass es in diesem Gericht keine Todesstrafe gibt, möchte ich wissen, ob sein Arm mich hier erreichen kann."

Laut Karadžic habe Holbrooke ihm im Vorfeld der Dayton-Verhandlungen über einen Friedensschluss in Bosnien-Herzegowina Zusicherungen gemacht, dass die Anklage gegen ihn fallengelassen werde, sollte er sich aus der Politik zurückziehen. Die USA haben das stets in Abrede gestellt. UN-Chefankläger Serge Brammertz geht davon aus, dass der Prozess gegen Karadžic in einigen Monaten beginnen kann. Bei der Handhabung des Verfahrens wolle er aus dem immer wieder hinausgezögerten Miloševic-Prozess lernen, hatte Brammertz angekündigt. "Es wird eine komplizierte Verhandlung, aber wir sind uns vollkommen im Klaren darüber, wie wichtig es ist, effizient zu sein." (Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 1.8.2008)