Mödling - "Ich hasse diese beschissene Welt", schrieb ein knapp 15-jähriger Schüler der HTL in Mödling Mittwochmorgen auf die Tafel, ehe er sein Zeichenbord und einen Sessel aus dem Klassenzimmer im vierten Stock warf und selbst in die Tiefe sprang. Eine Stunde später starb er im Spital. In der Schule will man von den Problemen des Teenagers nichts bemerkt haben.

"Nach unserem derzeitigen Ermittlungsstand dürfte die noch nicht lange zurückliegende Scheidung der Eltern der Auslöser für den Selbstmord gewesen sein", erklärt Wolfgang Nicham, der Bezirksgendarmeriekommandant von Mödling.

"Der Betroffene hat drei Abschiedsbriefe hinterlassen, an die Familie, Freunde und 'Gegner'. In Letzterem ist auch die Rede von 'Hänseleien' in der vergangenen Zeit, diese könnten zur Krise beigetragen haben, er hat sie offensichtlich in sich hineingefressen", berichtet der Ermittler weiter.

Der Jugendliche war nicht zum Sportunterricht erschienen, stattdessen war er in die leere Klasse gegangen, bestätigt der HTL-Direktor Hartmut Kranlich. Erklären kann sich der Schulleiter die Verzweiflungstat nicht.

"Lieber, netter Kerl"

"Er war ein ganz lieber, netter Kerl, hatte keine negativen Noten und ist nie aufgefallen." Von der Scheidung der Eltern habe man zwar gewusst, der Bub sei aber in den Semesterferien noch mit dem Vater auf Skiurlaub gewesen. "Man hatte den Eindruck, dass er die Trennung verkraftet hat", rätselt Kranlich.

Mit den rund 3200 Schülern der berufsbildenden Schule wird man den Vorfall mithilfe von Schulpsychologen nun besprechen, kündigt der Direktor an. "Man muss auf die Probleme der Jugendlichen eingehen, darf aber auch nichts zerreden", meint er.

Auch beim niederösterreichischen Landesschulrat baut man auf die Kompetenz der Schulpsychologen. Norbert Adrigan aus dem Büro des Landesschulratspräsidenten geht allerdings davon aus, dass sich Schülersuizide nie gänzlich verhindern lassen können. "Wir haben in Niederösterreich insgesamt 215.000 Schüler. Es wird wahrscheinlich immer Einzelfälle geben, die sich nicht vorher erkennen lassen."

Der Wiener Jugendpsychiater Max Friedrich geht dagegen davon aus, dass es immer Vorzeichen gibt, die von der Umwelt aber nicht oder falsch gedeutet werden. Er befürchtet nun vor allem Nachahmungstäter. "Die Berichterstattung in den Medien könnte labile Jugendliche dazu verleiten, im Suizid einen Ausweg aus Konflikten zu sehen", meint der Experte.

Suizide von Kindern

In den vergangenen zwölf Monaten war es bereits zu einigen Aufsehen erregenden Selbsttötungen junger Menschen gekommen. Erst im Jänner nahm sich ein 13-Jähriger im steirischen Stiftsgymnasium Admont das Leben. Im Mai 2002 hatte sich eine zehnjährige Grazerin mit der Pistole ihres Vaters erschossen.

Eine Entwicklung zu immer jüngeren Selbstmördern sieht Friedrich jedoch nicht. "Das liegt in der statistischen Schwankungsbreite. Vor zwölf Jahren lag das durchschnittliche Alter bei Suiziden von Kindern und Jugendlichen bei 15,5 Jahren, daran hat sich nicht viel verändert." (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2003)