Wien - In der Untersuchungskommission zu Missständen in der Wiener Psychiatrie, die seit März die politische Verantwortung bei der medizinischen Versorgung prüft, kommt jede politische Fraktion auf ihre Kosten.


Einerseits die Opposition zur roten Rathausmehrheit - ÖVP, Grüne und FPÖ -, welche die Kommission beantragt hat. Ihr ist es gelungen, Missstände aufzuzeigen und zu veranlassen, dass Alternativen zu Netzbetten überlegt werden. Andererseits die SPÖ-Fraktion, die durchsetzte, dass keine Psychiatrie-Patienten befragt werden. Anfangs hatte sie noch von Einzelfällen gesprochen. Gleichzeitig will sie aber psychische Erkrankungen entstigmatisieren.


Ein Widerspruch? "Nein. Ich würde auch keine Zahnpatienten vorführen", sagt Fraktionssprecher Christian Deutsch (SP). Deutsch konnte bisher jeder Kritik Positives abgewinnen. Machte beispielsweise der Psychiater Max Friedrich die Politik für die "Mangelsituation" in der Kinder- und Jugendpsychiatrie verantwortlich, hob Deutsch hervor, dass Friedrich auch "Verbesserungen, die vonseiten des Krankenanstaltenverbundes (KAV) durchgeführt wurden, bestätigte".


Die Verbesserungen gebe es nur, weil der politische Druck zu groß geworden sei, konterte die Oppo_sition. Als Vorwürfe von Vertuschung lautwurden und sich Patienten an Medien wandten, ergriff auch der KAV die Initiative: Die Öffentlichkeit wird seit Februar über Todesfälle informiert.
Für die Opposition könnte es nicht nur wegen der unterschiedlichen Expertenmeinungen schwierig sein, Systemfehler zu beweisen: Aussagende stehen auch unter Druck. So sagte Reinhard Zeyringer, Oberarzt am Otto-Wagner-Spital: "Ich möchte hoffen, dass diese Zeugenaussage ohne negative Konsequenzen für meinen beruflichen Weg bleibt." Woraufhin der KAV vermeldete: "Keiner braucht Angst haben." Noch ein halbes Jahr soll die Arbeit der U-Kommission dauern. Dann bleibt zu hoffen, dass die Patienten als Gewinner hervorgehen. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD - Printausgabe, 23. Juli 2008)