Dil Se
Regie: Mani Rathnam (1998)

22.2., 21.00

Foto: Filmmuseum
Wien - "Wenn Inder hinauf zur Leinwand schauen", schrieb Salman Rushdie einmal, "dann ist das so, als würden sie in den Himmel blicken." Gemeint hat der Autor damit nicht das Kino an sich, sondern die spezifisch indische Variante des kommerziellen Kinos: Bollywood.

Ob es westlichen Besuchern - über die Community so genannter NRIs (Non-Resident Indians) hinaus - ähnlich ergehen wird und Bollywood kein Modephänomen bleibt, sondern womöglich den Status des Hongkong-Kinos erreichen wird, ist freilich noch nicht entschieden. Das Österreichische Filmmuseum leistet jedenfalls schon mal Einführungsunterricht: Unter dem Titel Bollywood Basic werden derzeit maßgebliche Produktionen dieses ausladenden - kein Film dauert unter zweieinhalb Stunden - Kinos gezeigt.

Von sehr frühen Beispielen (Miss Frontier Mail, 1936) bis zu State-of-the-Art-Blockbustern (Mohabbattein, 2000): Gemeinsam ist allen ein synkretistischer Stil, was auch, in Anlehnung an das gleichnamige gewürzintensive Gericht, zum Begriff Masala-Film geführt hat - moderne und traditionelle Elemente, Action, Melodramatik, Komödiantisches, Tanz und Gesang werden in der typischen Bollywood-Produktion zu einem Ganzen verarbeitet.

Das heißt nicht, dass nicht immer noch ein Genre dominieren kann: Bei Sholay (1975) handelt es sich etwa um einen veritablen Curry-Western, der sich von der Ästhetik des Italo-Westerns einiges ausborgt. Neben der Blutfehde, die dem Film Sensationen wie Schießereien und Verfolgungsjagden beschert, kommt hier allerdings auch das Melodramatische ausgiebig zum Zug - dafür sind nicht zuletzt die Gesangsnummern da; herzergreifend etwa die Szene, wo das Mädchen für das Leben ihres Geliebten bloßfüßig auf, Scherben tanzt.

Charakteristisch für ganz Bollywood ist in Sholay die wuchernd verzweigte Erzählweise: In ausufernde Rückblenden werden ganze Vorgeschichten nachgeholt, in Subplots - durchaus humorvoll - neue romantische Verbindungen ausgetestet.

Wie viele Handlungswendungen allein schon eine Dreiecksbeziehung birgt, demonstriert Sangam (1964), inszeniert vom Bollywood-Meister Raj Kapoor: Zwei Kindheitsfreunde lieben dieselbe Frau, wobei einer dem anderen zeitlebens den Vortritt gibt. Kapoor treibt das bis zum Äußersten, wenn etwa einer der Männer im Krieg gefallen scheint und der Weg für den anderen endlich frei ist.

Sangam überrascht jedoch auch in der Auslegung der Frauenrolle: Immer wieder fordert die Begehrte ihr Recht auf Selbstbestimmung. Der Film war übrigens der erste von vielen, in dem Szenen in der Schweiz gedreht wurden: Noch heute sollen verliebte Inder deshalb auf dem Jungfrauenjoch gesichtet werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2003)