Tokio - In den dreitägigen Verhandlungen über den Abbau von Agrarzöllen und Subventionen zum Schutz der Landwirtschaft konnten sich die Vertreter von 22 Staaten in Tokio nicht einigen. Auf der Konferenz im Rahmen der Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO prallten die Positionen der EU und Japans und der auf eine Liberalisierung pochenden Cairns-Gruppe um die USA aufeinander.

Protestmarsch

Der Protestmarsch von über 8000 japanischen Bauern im Hibiya-Park war ein Symbol für die Gegensätze in der Verhandlungen. Der Reisbauer Toru Nagashima aus der nordjapanischen Präfektur Aomori führte den Marsch mit einem riesigen Reiskuchen auf dem Kopf an und skandierte Slogans wie: "Wer Zölle senkt, tötet uns Reisbauern."

Nagashima und rund eine Million andere Reisbauern Nippons überleben nur, weil die Regierung auf importierten Reis einen Zoll von 490 Prozent erhebt. Pro Jahr fließen rund sechs Milliarden Euro an offenen und verdeckten Subventionen in japanische Bauernhaushalte, die nur zwei Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen und 1,8 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Aber die Bauern sind gut organisiert und besitzen in der regierenden Liberaldemokratischen Partei eine mächtige politische Lobby.

Japan sei das abschreckende Beispiel für eine übersubventionierte Landwirtschaft, erklärte ein australischer Verhandlungsdelegierter. Australien gehört mit den USA und Kanada zu den 18 Agrarexportländern der Cairns-Gruppe, die für eine Zollsenkung von 60 Prozent innerhalb von fünf Jahren eintreten.

EU-Vorschlag

Auf der anderen Seite steht die EU, die mit einem Alternativvorschlag von EU-Kommissar Franz Fischler angereist war. Die EU schlug vor, die wettbewerbsverzerrenden Subventionen um 55 Prozent und die Exportsubventionen um 45 Prozent zu kürzen, dafür aber die Zölle nur um 36 Prozent zu senken. Dieser Position hatte sich Japan grundsätzlich angeschlossen, obwohl das Land bezüglich umweltgerechter Produktionsbedingungen und der Offenlegung von verdeckten Subventionen noch weit hinter der EU herhinkt.

Allerdings prallten in Tokio nicht nur verschiedene Positionen über die Zolltarife in der Landwirtschaft aufeinander, sondern zwei grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen über die Bedeutung der Landwirtschaft. Europäische und japanische Bauern verstehen sich nicht nur als Produzenten, sondern auch als Landschaftspfleger, die eine wichtige Aufgabe für die Umwelt und die Erhaltung natürlicher Lebensräume übernehmen. (André Kunz, DER STANDARD, Printausgabe 17.2.2003)