Die des Koalitionsverhandelns müden aber dennoch nicht unglücklichen Grünen

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Von den Mitgliedern des Erweiterten Bundesvorstands (EBV) wurden Alexander Van der Bellen und seine Stellvertreterin Eva Glawischnig am Sonntagvormittag mit tosendem Applaus empfangen. Die Regierungsverhandler hatten eine sehr lange Nacht hinter sich und nur wenige Stunden geschlafen, wenn überhaupt.

Sie seien "bis an die Grenzen" gegangen, erklärte Van der Bellen. Es hatte aber nicht gereicht. Um sechs Uhr morgens gaben er, Eva Glawischnig und Peter Pilz das Scheitern der Gespräche bekannt. Die Medienvertreter wurden per Handy in den Grünen-Klub bestellt, die meisten von ihnen hatten gegen Mitternacht vor dem Kanzleramt aufgegeben.

Man habe bis zur letzten Minute "mit vollem Einsatz" verhandelt, sagte der grüne Bundessprecher. An allererster Stelle sei es am Budget gescheitert, es sei kein finanzieller Spielraum vorhanden gewesen. Aber auch bei den Abfangjägern, den Studiengebühren und dem Pensionsbereich sei keine Einigung mit der ÖVP möglich gewesen. Letztlich zu viel, um doch noch einen Kompromiss schließen zu können. Wobei es in einigen Bereichen durchaus Annäherung gegeben hätte, "die vielleicht keine der beiden Parteien vor Aufnahme der Verhandlungen für möglich gehalten hätte". Ihm sei auch klar, dass sich das "window of opportunity" nicht beliebig öffnen würde, sagte Van der Bellen. Erstmals habe es einen derart intensiven Verhandlungsprozess zwischen ÖVP und Grünen gegeben, der möglicherweise für beide Seiten lehrreich gewesen sei.

Wie es jetzt mit der Regierungsbildung weitergehe, liege an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Dass bei den Verhandlungen zuletzt nur "peanuts" wie die Mitbestimmung von Assistenten an Universitäten im Gespräch gewesen seien, wollte der Grünen-Chef nicht gelten lassen. Es habe Unterschiede gegeben, für ihn sei außerdem dieses Thema nicht unter "peanuts" einzuordnen. Van der Bellen: "Ich nehme das Ende der Verhandlungen mit Bedauern zur Kenntnis." Von gegenseitigen Schuldzuweisungen wollte er nichts wissen.

16 Stunden lang war in der Schlussrunde verhandelt worden. Und in vielen Bereichen hatten die Verhandler von ÖVP und Grünen durchaus zueinander gefunden. Sogar ein gemeinsames Papier mit knapp 60 Seiten war bereits erstellt worden. In Untergruppen kamen sich die Verhandler immer wieder auch in strittigen Punkten näher, die Grünen behaupten aber, dass die große Einigung letztendlich an Schüssel gescheitert sei. Sicherheitssprecher Peter Pilz berichtete, es sei interessant gewesen, nach 16 Stunden Nein von der Volkspartei dann zu hören: "Gebt euch doch einen Ruck. Wollt ihr nicht unterschreiben?"

Mit dem, was die Grünen herausholen konnten oder eben nicht, wäre beim Erweiterten Bundesvorstand mit seinen 30 Mitgliedern wohl kaum eine Einigung zu erzielen gewesen. Diese Ansicht teilten schließlich auch die Mitglieder des EBV. Sie billigten einhellig die Vorgangsweise des grünen Verhandlungsteams. Eine Zustimmung der 280 Delegierten des Bundeskongresses, der eine Woche später tagen hätte sollen, wäre ebenso höchst unwahrscheinlich gewesen - diesem Gremium muss man sich nicht mehr stellen.

Enttäuscht hatte sich am Sonntag auch Grünen-Verhandler, Wirtschaftssprecher Werner Kogler, gezeigt. Er meinte, dass nun Schüssel zu erklären habe, "wie soziale Einschnitte und Abfangjäger unter einen Hut zu bringen sind". Die Grünen seien jedenfalls nicht bereit gewesen, hier ihre Glaubwürdigkeit zu opfern: "Charme ist keine politische Kategorie, aber Glaubwürdigkeit ein hohes politisches Kapital." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2003)