Washington/Wien - Seit dem 11. 9. 2001 wird in den USA systematisch darüber nachgedacht, welche potenziellen Gefahren die Publikation "sensibler" wissenschaftlicher Erkenntnisse für die nationale Sicherheit in sich birgt. Besonderes Augenmerk gilt dabei jenen Arbeiten, die Know-how zur Produktion von Massenvernichtungswaffen liefern könnten.

Seit Monaten wird eine rege Debatte darüber geführt, wie der entsprechende Informationsfluss gesteuert werden sollte (DER STANDARD berichtete). Für den Congressional Research Service hat jetzt die Beraterin Dana S. Shea ein Papier verfasst, in dem die grundlegenden Parameter der Debatte aufbereitet worden sind.

Aufregung

Mehrere Publikationen haben laut Shea in den vergangenen Jahren für Aufregung gesorgt: So hatten etwa im Jahr 2001 Wissenschafter eines australischen Forschungszentrums in einem Fachjournal mitgeteilt, wie man den Mäusepockenvirus gentechnisch so manipulieren kann, dass er auch geimpfte Mäuse infiziert. 2002 stellte der Biologe Eckard Wimmer an einer staatlichen New Yorker Universität einen funktionstüchtigen Poliovirus aus Materialien her, die er bei einer Postversandfirma bestellt hatte - die Versuchsanleitung publizierte er anschließend in Science.

Staatlich subventionierte Forschung kann in den USA derzeit auf mehrfache Weise kontrolliert werden: durch explizite Geheimhaltungsvorschriften, Exportkontroll- mechanismen oder Auflagen in Forschungsförderungsverträgen, die den Behörden ein Recht einräumen, Forschungsergebnisse vor der Veröffentlichung zu sichten. Von einer Möglichkeit, sensible Information aus dem Verkehr zu ziehen, machen die Behörden jetzt schon Gebrauch: Nach dem 11. 9. 2001 wurden viele Forschungsarbeiten von staatlichen Webservern genommen.

Verschärfung gesetzlicher Bestimmungen

In der jetzigen Debatte, meint Shea, scheiden sich die Geister der wissenschaftlichen Community: Befürworter einer Beibehaltung des Status quo meinen, dass dem Staat genügend Mittel zur Disposition stünden, um regulierend einzuwirken, und zudem könnten Wissenschafter nur Gegenmittel gegen neue Bedrohungspotenziale entwickeln, wenn die entsprechenden Forschungsberichte frei verfügbar sind.

Andere rufen nach einer Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen. Sie argumentieren etwa, dass die Veröffentlichung der Information, nach welchem Segment aus dem Genom eines Pathogens ein Biodetektor Ausschau hält, Terroristen Auskunft geben könnte, wie sie ein Pathogen herstellen können, das gegen eine solche Identifikation gefeit ist. (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2003)