Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Schneider

... beziehungsweise mangelnde Eignung zur Führung des größten Kleinformats aller Zeiten vorwerfen, könnte der Konsument dieses Insiderwissens glatt zu dem Schluss gelangen, da liege ein gordischer Redaktionsknoten vor, den auch der geschäftsführende Chefredakteur Michael Kuhn nicht durchhauen kann, solange nicht der Herr der Richtung der Zeitung, die bekanntlich in der Vielfalt der Meinungen ihres Herausgebers und der Redakteure besteht, in edler Einfalt und stiller Größe des Teilzeitpensionisten eingreift, um eine verunsicherte Leserschar bei der Stange zu halten.

Nötig wäre das nicht, denn weder Vertrauenswürdigkeit noch Eignung an der Spitze der "Krone" haben in den letzten vierzig Jahren die Leser in auffallender Weise beschäftigt, solange nur Xenophobie und Zoophilie angemessen befriedigt wurden. Weshalb sie dem Blatt auch in einer Zeit, in der es so vielen heimischen Händen wie noch nie ausgeliefert ist (Häupl beschwören wirkt!), die Treue halten werden, lässt sich doch österreichischer Patriotismus authentischer nicht beweisen.

Dass der Sohn die Last der Chefredaktion von den Schultern des Vaters nahm, ist insofern eine glückliche Fügung, als wir nun viel öfter als früher in den Genuss jener Vielfalt der Meinungen kommen werden, die nicht auf dem Mist der Redakteure wächst, sondern auf dem mit sittlich-philosophischer Strenge gejäteten Blattsalat-Beet Catos. Dreimal vom Wochenende bis Mittwoch!

Am Samstag genehmigte er unter der Exklusivmitteilung Schwarz-Grün rückt näher, dass auf beiden Seiten prominente Funktionäre ziemlich fest an Schwarz-Grün glauben. Dass dieser Glaube ohne seinen Segen nicht bestehen kann, der Segen vielmehr einzuholen ist, ehe der Glaube leben darf, ergab sich aus dem Hinweis: Was ich dazu meine, habe ich auf eine Frage eines Nachrichtenmagazins geantwortet. Hoffentlich hat es der Bundespräsident gelesen, ehe er, wie oberhalb abgebildet, den Grünen-Chef Van der Bellen in der Hofburg empfing - übrigens deutlich sichtbar ohne Labung mit Gugelhupf. Die folgt erst, wenn er seine radikalen Trotzkisten, Maoisten und Kummerlgestalten zurückgedrängt hat.

Am Montag präsentierte er einen von legendärem Wissen um die Antike gespeisten Gedanken zur aktuellen Weltkrise, die George Bush bekanntlich lösen will wie einst Big Alex den Gordischen Knoten, hing doch schon damals davon ab, wer Asien erobern werde. Sozusagen im letzten Augenblick will eine Friedensinitiative der beiden Staaten den Krieg der USA gegen den Irak verhindern. Die Idee erinnert geradezu an die Legende vom Gordischen Knoten: Eine dauerhafte Stationierung von Truppen der Vereinten Nationen im Irak sowie die Errichtung einer Flugverbotszone über dem ganzen Land sollen Krieg unmöglich machen. . . Die Woche beginnt mit einer guten Nachricht! Keine gute Nachricht für Knotendurchhauer.

Mittwoch war dann ein stiller Vergleich Albert Camus - Hans Dichand fällig. Beides probiert - kein Unterschied. Dieser Gleichklang der Gedanken zum Irak-Krieg! Zweifellos wäre er gegen den drohenden Irak-Krieg aufgetreten. Frankreichs fast überraschende Ablehnung des Bush-Vorhabens ist von diesem kompromisslosen Humanisten beeinflusst, enthüllt der "Krone"-Humanist und zitiert: "Wir müssen etwas dagegen tun, dass diese Welt nicht über dem Menschen zusammenschlägt!" Zum Glück gibt es wenigstens ein Land, wo ein Philosophen etwas dagegen tut, dass seine Zeitung nicht über dem Menschen zusammenschlägt.

Auch "Die Presse" hat einiges aufzulösen, stellt die Irak-Krise sie doch vor die Peinlichkeit, sich zwischen ihren traditionellen heiligen Stätten Washington und Vatikan entscheiden zu müssen. Wenn der Papst recht hätte, umriss ein Leitartikler das Dilemma, das das Blatt nun zwischen christlichem Abendland und neuem Europa hin- und herreißt. Wer mag dem Papst ankreiden, daß er derzeit energisch das Gebot der christlichen Nächstenliebe einfordert? bietet sich "Die Presse" beflissen als Ankreider an: Allerdings reagieren manche mit Skepsis, wenn sich die katholische Kirche anschickt, Gebote und Glaubenswahrheiten in praktische politische Handlungsrezepte umzusetzen.

Wo kämen wir denn da hin? Das hat die katholische Kirche früher doch auch nicht gemacht, wie ihr "Die Presse" nun entgegenschleudert: Wer selbst lange Zeit Waffen gesegnet hat, der hat ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Aber ein wenig auch der, der die Gebote und Glaubenswahrheit einer Religion redaktionell hoch, aber nichts von ihrer Umsetzung in praktische politische Handlungsrezepte hält, wenn einem amerikanischen Präsidenten das gerade nicht in den Kriegskram passt. Natürlich ist der Papst in der weltlichen Causa Irak genauso dem Suchen und Irren unterworfen wie andere. Nur "Die Presse", die hat immer recht.
(DER STANDARD, Printausgabe, 14.2.2003)