Ferrero-Waldner: "Uns geht es nur darum, eine Entwaffnung Saddam Husseins zu erreichen. Den Amerikanern kann es natürlich um mehr gehen"

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Wir gehören zum „gesamthaften Europa“ antwortet Außenministerin Benita Ferrero-Waldner im Gespräch mit Gudrun Harrer auf die Frage, ob Österreich nach US-Sicht in der Irakfrage zum „alten“ oder zum „neuen“ gehört.

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STANDARD: Sie sagen, zur österreichischen Position gehört beides: das Problem Irak wahrnehmen und bis zum letzten Moment nach einer friedlichen Lösung suchen. Wie sehen Sie den Streit in der Nato?

Ferrero-Waldner: Ich habe Verständnis für die Position Frankreichs, Deutschlands und Belgiens, die ja grundsätzlich zur Verteidigung der Türkei stehen, aber zum jetzigen Zeitpunkt, wo es noch keine Sicherheitsratsresolution gibt, nicht in Richtung Irakkrieg planen wollen. Man hätte da in der Nato mit ein bisschen mehr Sensibilität weitere informelle Sitzungen abhalten können und nicht sofort zur „silent procedure“ kommen müssen, wo diese Dinge sehr hart auf den Punkt gebracht werden und man in eine Diskussion hineingekommen ist, die man hätte vermeiden können. Das Dilemma ergibt sich daraus, dass manche Staaten gleichzeitig in den drei Institutionen sind: Nato, EU, Sicherheitsrat, sie nehmen entsprechend ihren Funktionen unterschiedliche Positionen ein, das ist nicht einfach.

STANDARD: Also eine Instrumentalisierung der Nato?

Ferrero-Waldner: Stark zugespitzt kann man sagen, man hat versucht, die Debatte, die im Sicherheitsrat zu führen ist, vorzuziehen. Die Militärs sagen, sie müssen planen, aber das hätte man genauso gut nach der Sicherheitsratssitzung machen können, dann hätte man sich die Turbulenzen erspart.

STANDARD: Wie geht es im Sicherheitsrat weiter?

Ferrero-Waldner: Blix wird in sehr objektiver Weise seine Erkenntnisse darzustellen versuchen, er wird manche positive Entwicklungen anführen, aber er wird auch verlangen, dass schnell Fortschritte gemacht werden müssen. Soviel ich höre, werden die Iraker zwei Kommissionen einsetzen, eine, die die Auffindung von Dokumenten betrifft und eine andere zu verbotenem Material. Wenn diese Kommission gut arbeitet, dann ist immer noch eine Friedenschance gegeben, die wir nützen sollten. Es gibt die Initiative, für die ich mich mit der griechischen Präsidentschaft stark engagiere: eine gemeinsame Vorgangsweise der Europäer mit den Arabern zu finden. Ich weiß schon, dass nicht alle dieselbe Sprache sprechen, aber ich hoffe trotzdem, dass es gelingt, zu einer gemeinsamen Linie zu kommen. Man muss Saddam Hussein klar machen, dass es jetzt Zeit ist, dramatische Gesten zu setzen: die Offenlegung, die bis jetzt nicht wirklich passiert ist. Wenn wir auf der Grundlage von Resolution 1441 auf ihn einwirken, sehe ich noch eine Möglichkeit, den Krieg und seine furchtbaren Konsequenzen zu verhindern. Man sollte einfach alles tun - und man sollte das auch nicht zynisch kommentieren, wie das manche tun. Es ist eine Verpflichtung, alle friedlichen Möglichkeiten auszuloten. Ich glaube schon, dass es auch den Amerikanern in erster Linie darum geht, eine Entwaffnung Saddam Husseins zu erreichen. Uns geht es nur darum. Den Amerikanern kann es natürlich um mehr gehen.

STANDARD: Wie wird es konkret weitergehen?

Ferrero-Waldner: George Papandreou (griechischer Außenminister) wird zuerst nach New York fahren und danach - eine österreichische Idee - zum arabischen Außenministertreffen. Das Timing ist gut, das hat nur nach dem Blix/Baradei-Bericht Sinn. Wenn wir zu einer gemeinsamen Botschaft kommen, kann man über eine gemeinsame Delegation reden.

STANDARD: Was sagt London?

Ferrero-Waldner: Sie sind nicht ganz abgeneigt, anders als man glauben könnte. Unsere Initiative bewegt sich auf der Linie von Resolution 1441, darum kann jeder mitgehen, auch die Araber. Während die Forderung, man sollte den Inspektoren viel mehr Zeit und Leute geben, nicht realistisch ist. 1441 sagt: Erfüllung, und darum geht es, und unsere Initiative fällt in den Interpretationsspielraum. Ich weiß, dass er gering ist, ich bin ja nicht unrealistisch, aber man sollte jede Chance nützen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 14.2.2003)