Der ORF hat mit der Übertragung der "Nestroy-Gala" im Oktober des Vorjahres gegen das ORF-Gesetz verstoßen, da er sich von parteipolitischen Aussagen, die im Rahmen dieser Veranstaltung getätigt wurden, nicht distanziert hat. Zu diesem Erkenntnis kam der Bundeskommunikationssenat (BKS), Rechtsaufsichtsbehörde über den ORF, bei seiner Sitzung am Donnerstag. Diese Entscheidung muss der ORF nun innerhalb von vier Wochen veröffentlichen.

Verstoß gegen Objektivitätsgrundsätze

Konkret befand der Senat, dass der ORF gegen die im Par. 4 verankerten Objektivitätsgrundsätze verstoßen habe, hieß es in einer Aussendung am Freitag. Anlass der Beschwerde, die vom Wiener Anwalt Rudolf Gürtler eingebracht wurde, waren Statements der Künstler Andre Heller und Andrea Eckert bei der Verleihung des Theaterpreises am 12. Oktober 2002. Heller hatte in seiner Laudatio auf Claus Peymann, der den Nestroy für sein Lebenswerk erhielt, ein "Märchen" über einen Politiker erzählt, der sich in einem "zynischen Egotrip" zum Kanzler gemacht und dabei sein Land ins Unglück gestürzt habe. Gala-Moderatorin Eckert hatte anschließend darum gebeten, dass die Nationalratswahl am 24. November "nicht wieder in einer Schmierenkomödie endet".

"Einseitige politische Äußerungen in Wahlkampfzeiten"

Beide Aussagen waren nach Ansicht des Senats als "einseitige politische Äußerungen in Wahlkampfzeiten" zu werten. Darauf hätte der ORF reagieren müssen, um das Objektivitätsgebot nicht zu verletzten, heißt es in dem Bescheid. Dies auch, weil der ORF nicht einfach als unbeteiligter Dritter die Gala übertrug, sondern als "Kooperationspartner" mitwirkte.

"Bearbeitung nicht möglich"

Der ORF hatte im Verfahren betont, dass die Gala zwar zeitversetzt übertragen worden war, eine unmittelbare Bearbeitung des Materials, etwa durch Schnitt, aber nicht im Bereich des Möglichen gewesen sei. Auch sei Eckert vom zuvor vereinbarten Skript abgewichen, Hellers Rede sei vor der Veranstaltung gar nicht vorgelegen. Für den Senat keine Argumente: Bei Sendungen dieser Art müsse man mit Abweichungen rechnen, der ORF müsse "geeignete Vorkehrungen" treffen, "dass er für den Fall von Rechtsverletzungen im Rahmen der Sendung die Möglichkeit hat, umgehend darauf zu reagieren".

Zu spät distanziert

Wie solche Reaktionen aussehen könnten, ließ er dahingestellt, dachte aber ein "Insert" nach der Sendung oder eine "Ansage durch einen Redakteur im Studio" an. Dass sich der ORF am 14. Oktober 2002 via Aussendung distanzierte, sei ungenügend - diese Maßnahme sei zu spät erfolgt und habe das Publikum der Gala selbst "nur höchstens zum Teil erreicht".

ORF muss Spruch veröffentlichen

Gegen den Bescheid des Senats ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig, innerhalb von sechs Wochen kann Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Da die Gala an einem Samstag bis ca. 24.00 Uhr übertragen worden sei, schreibt der BKS die Veröffentlichung des Spruchs für einen Samstag "unmittelbar vor der 'Zeit im Bild 3'" vor. Dies könnte sich indes als schwierig erweisen, gibt es die "ZiB 3" doch nur von Montag bis Freitag. Samstags sendet der ORF eine Spät-"Zib", deren Sendeplatz aber variiert.

ORF prüft Beschwerde bei Höchstgericht

Den Bescheid des Bundeskommunikationssenats (BKS) möchte der ORF von einem Höchstgericht prüfen lassen. "Wir prüfen die Begründung des Senats unter dem Gesichtspunkt, ob und wie Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof eingelegt werden kann", hieß es am Freitag. Denn erstmals liege die Entscheidung vor, dass der ORF bei der Übertragung einer "Veranstaltung Dritter" verantwortlich sei.

Dabei habe man aber auf solche Veranstaltungen Dritter keinen Einfluss, so der ORF. Der Senat hatte dagegen festgestellt, dass der ORF als "Mitveranstalter" sehr wohl verantwortlich war. Diese Judikatur möchte der ORF nun einem Höchstgericht vorlegen. (APA)