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Gletscher halten weltweit mehr als drei Viertel der Süßwasserreserven, sind höchst sensible Indikatoren für Umwelteinflüsse und schmelzen vor allem in den vergangenen Jahren beängstigend rasch. Versuchte man in den 70er-Jahren die Gletscher möglichst umfassend für den Tourismus zu erschließen, ist man sich heute ihrer Bedeutung im Gefüge der Natur wesentlich stärker bewusst und wieder mehr um Schutz bemüht.

Wie viel an Mächtigkeit beispielsweise die Pasterze, der mit fast zehn Kilometern längste Einzelgletscher der Ostalpen, in vier Jahrzehnten verloren hat, lässt sich an den vielen Höhenmetern ermessen, die man heute von der Talstation der 1960 gebauten Standseilbahn, die von der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe hinunterfährt, bis zum tatsächlichen Gletschergrund noch zurücklegen muss.

Aber Menschen finden es reizvoll, sich in Gletscherzonen zu bewegen, entweder um dort Ski zu laufen oder um sich das ewige Eis in der archaischsten aller Fortbewegungsformen zu erschließen: zu Fuß.

Ein beliebtes Ziel

Das Glocknermassiv ist ein beliebtes Ziel unter Hochtourenfreaks und Eiskletterern. Auf 2973 Metern liegt die stark frequentierte Oberwalderhütte am Plateau des Großen Burgstall gleich neben dem Oberen Pasterzenboden, eine von mehreren Berghütten im Massiv. Sie ist Ausgangspunkt für unterschiedlichste Touren auf die umliegenden Dreitausender. Quasi neben der Hütte ums Eck herrschen beste Bedingungen, um Gletscher-Neulingen in Kursen Freuden und Gefahren des ewigen Eises näher zu bringen.

Was die Unterbringungsqualität anlangt, spielt sie in der Oberliga der Berghütten. 110 Leute haben in Zimmern und im Lager komfortabel Platz, dazu kommen 40 Notschlafstellen. Und täglich steht Warmwasser zur Verfügung.

Mit dem Erweiterungsbau 1985 bis 87, aus öffentlichen Mitteln und vom Alpenverein finanziert, wurde die 1910 eröffnete Hütte sozusagen in einem Pilotprojekt zur umwelttechnologischen High-Tech-Anlage. Rund 50.000 Liter Schmelzwasser werden in einem alten Stollen gesammelt, der während des Krieges als Waffenlager und Soldatenversteck diente, und über so genannte Sandrutschen geklärt. Nach einer Stehzeit wird das Wasser zur Hütte gepumpt und über ein weiteres aufwändiges Klärsystem mit Aktivkohlefilter noch einmal gereinigt. Die Elektrizität wird über eine Photovoltaikanlage erzeugt, ein Teil kommt aus einem Notstromaggregat. Und um das zu entsorgen, was die Menschen im Laufe einer Saison, die von Juni bis Ende September dauert, so hinter sich lassen, kommt eine "Pinzgauer Rutsche" zum Einsatz: Feststoffe werden von Flüssigstoffen getrennt und fallen in einen Behälter, wo sie vier Jahre gelagert werden. Über die Solaranlage werden die Behälter aufgewärmt, um das Verrotten zu beschleunigen.

"Das System funktioniert perfekt"

Der kompostierte Teil wird jedes Jahr herausgenommen und am Felsen verteilt. "Die Stelle sieht man von weitem. Dort ist alles grün, und die schönsten Pflanzen wachsen", erklärt Peter Fleißner, Hüttenbetreiber. Natürlich sei es mit einiger Arbeit verbunden, "aber das System funktioniert perfekt. Der enorme Aufwand beim Bauen - vieles musste eingeflogen werden - hat sich ausgezahlt."

Skilaufen in Gletscherregionen hat vielleicht nicht mehr ganz das Abenteurer-Flair der späten 70er-Jahre, als der Gletscherskilauf vorbehaltlos "trendy" war und die gnadenlose Erschließung selbst der hintersten Bergwinkel für den Skilauf geplant wurde. Biegt man vom breiten Zillertal mit seinen Großhotels und den Tal und Dorf überspannenden Skigondeln über ein paar Serpentinen in das rund zehn Kilometer lange Tuxer Tal, ist es ein bisschen, als ob man in die andere, stillere Welt wechselte. Das Tal verengt sich, die Hotelbauten sind deutlich kleiner, wenn auch nicht weniger prächtig. Nette Kuriosität am Rande ist, dass zur Gemeinde Tux zwar fünf Orte gehören, aber keine davon den Namen Tux trägt. Am Talschluss, dem eigentlichen Hintertux, das seit 1936 verkehrs- und infrastrukturmäßig erschlossen ist, wölbt sich eine mächtige Gletscherzunge über den Berghang. Bis auf 3250 Meter Seehöhe reicht das Ganzjahreskigebiet am Hintertuxer Gletscher. Der höchste Gipfel der Gletscherzone ist der Olperer mit 3476 Metern.

Im Tuxer Tal rühmen sich die Tourismusverantworlichen, die Ersten in Österreich gewesen zu sein, die eine Gletscherregion für den Ganzjahresskilauf erschlossen haben. Diese Entwicklung brachte auch mit sich, dass man sich, gemeinsam mit der im Liftwesen allgegenwärtigen Firma Doppelmayr, ausführlich mit der Technik des Liftbaus in Hochgebirgszonen auseinandergesetzt hat.

Gletscher sind in Bewegung

Das Gewicht der Eismassen bewegt sich der Schwerkraft folgend ständig nach unten. Der Hintertuxer Gletscher, dessen älteste Eisschichten an die 1000 Jahre alt sind, legt stellenweise bis zu 40 Meter im Jahr zurück. 1968 wurde der mit zweieinhalb Kilometern längste jemals in Österreich errichtete Sessellift fertig gestellt, 1969 der erste Schlepplift in dieser Gletscherregion. Durch die Bewegung des Untergrundes ist eine feste Positionierung von Liftstützen kaum möglich. Die Stützen der Schlepplifte sind daher mittels ausgeklügelter Stahlseilverspannungen verankert und werden, sobald sie sich zu weit von ihrem ursprünglichen Befestigungsplatz entfernt haben, bis zu dreimal pro Jahr sozusagen "nachgezogen".

Das Know-how für die Gletscherbahn, welche die ursprünglichen (kalten) Sessellifte ersetzte, holte man sich in Val Thorens in Frankreich und entwickelte es für die lokalen Gegebenheiten weiter. Mit Hilfe von zwei Förderseilen wurden die großen Distanzen zwischen den Stützpfeilern überwunden, die auf fixem, ergo felsigem Untergrund stehen müssen. Auch hohe Windgeschwindigkeiten - in Böen bis zu 140 Kilometern pro Stunde - werden mit der Funitel-Technik "abgewettert".

Nach wie vor setzt man im Tuxer Tal auf den Gletscherskilauf als "Aufhänger", vor allem in Herbst und Frühjahr. Gleichzeitig versucht man aber auch, das Tal, das in den Urzeiten des Tourismus einen Ruf als Sommererholungsgebiet hatte, mitsamt der beeindruckenden Bergwelt stärker als Ganzjahresdestination zu etablieren. Mit den Jahreszeiten entsprechenden Formen des Tourismus - Wandern auf den Bergen und in den Gletscherzonen, Naturhöhlentrekking, Biken in Kombination mit Wellness-Angeboten. Immerhin ist die Gemeinde Tux 1998 dem Klimabündnis beigetreten, was sich in vielen, von der Gemeinde geförderten Klima- und Umweltschutzmaßnahmen auch und vor allem im Tourismus manifestiert.(Luzia Schrampf, Der Standard/rondo/14/02/2003)