Zum Abhaken, Ausschneiden und Einrahmen: acht Grundsätze für eine zukunftsorientierte Reformpolitik einer schwarz-grünen Bundesregierung aus der Sicht eines Vertreters des liberalen ÖVP-Flügels.

Der Wettstreit der beiden mächtigen Ideologien des 20. Jahrhunderts scheint abgeschlossen. Sowohl in der Gesellschafts- als auch in der Wirtschaftspolitik haben bürgerlich-liberale Ideen gesellschaftsbestimmende Relevanz erhalten, die Mitte war die Destination der politischen Vernunft. Gegenwart und Zukunft werden nun von der Frage bestimmt, wer die anstehenden Probleme am besten löst, wer die besten Antworten und Reformkonzepte hat. Die nächste Bundesregierung hat Rahmenbedingungen zu schaffen und zu ergänzen, die es den Menschen in unserer Gesellschaft ermöglicht, sich möglichst frei zu entfalten - in Verantwortung für und Solidarität mit ihrer Umwelt.

Praktisches Angebot

In Anbetracht überholter Ideologien braucht es daher umso dringender Grundsätze, an denen die nächste Bundesregierung ihre Politik ausrichtet. Hier die praktische Checklist bürgerlich-liberaler Grundsätze für die Regierungsparteien - zum Ausschneiden und Abhaken:

  • leistungsorientiert

    Wem Leistung als Prinzip gilt, darf vor parteipolitischen Interessen nicht Halt machen. Bei öffentlichen Aufgaben, die von Privaten gut erfüllt werden können, hat der Staat nichts verloren. Schluss mit Eigenregieleistungen wie Stadtgartenamt oder gemeindeeigenen Gastronomiebetrieben! Und Schluss mit parteipolitischen Personalentscheidungen, wo Leistung und Qualität gefragt sind!

  • nachhaltig

    Wir haben keine 30 Jahre Zeit, das Pensionssystem zu verändern. Jetzt reformieren, jetzt für klare Verhältnisse sorgen! Jetzt die Basis für eine moderne, tragfähige und dauerhafte Alterssicherung schaffen, da- mit die aktuell 20- bis 45-jährigen Erwerbstätigen nicht zu den Nettozahlern unserer Gesellschaft werden - und die Zukunft der uns nachfolgenden Generation gesichert ist.

  • flexibel

    Noch immer fehlt der Erkenntnis, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, die ausreichende Umsetzung in der Realpolitik. Die weitere Liberalisierung der Gewerbeordnung, die Aufhebung der Ladenschlusszeiten, die Förderung von Eigenkapitalbildung und die Flexibilisierung der Arbeitszeit brauchen hohe Priorität auf der wirtschafts- politischen Agenda.

  • gleichberechtigend

    Der Antidiskriminierungskatalog ist mittlerweile mehrheitsfähig, zu tun ist aber legistisch und praktisch noch einiges. Zwei Beispiele: Solange für gleiche Leistung nicht gleich bezahlt wird, ist Frauenförderung notwendig. Und der Diskriminierung wegen sexueller Orientierung muss durch die Schaffung des Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein Ende gesetzt werden.

  • integrativ

    Menschlichkeit und Solidarität bleiben wesentliche Anforderungen an die Ausländerpolitik, Integration bleibt das Hauptthema, falsch verstandene Multikulturalität kann Gefahren für Grund- und Menschenrechte bergen. Ja zu einem Miteinander in kultureller Vielfalt, aber auch Ja zur Einforderung des Bekenntnisses zu unseren gesellschaftlichen Grundwerten.

  • bildungsfördernd

    Die Förderung von Talenten und Begabungen und damit der Entwicklung von Leistung darf nicht vom wirtschaftlichen oder sozialen Status abhängig sein. Daher muss der Zugang zur Bildung frei von Hürden und Restriktionen sein. Das Lippenbekenntnis der staatlichen Förderung von Forschung und Wissenschaft ist jetzt einzulösen, die Autonomie staatlicher Bildungseinrichtungen das zukunftsweisende Modell.

  • bürgerbestimmt

    Die Schaffung und Stärkung unserer inneren und äußeren Sicherheit wird auch die Politik der nächsten Bundesregierung bestimmen. In der Diskussion der letzten Jahre zu kurz gekommen ist allerdings das kommunizierende Gefäß der "Sicherheit": die Freiheit des Einzelnen, der Schutz der Privatsphäre, die Sicherung der bürgerlichen Grundrechte, ohne die es keine sichere Gesellschaft geben kann.

  • europäisch

    Nationalstaatliches Agieren auf europäischer Ebene ist nicht nur überholt, sondern auch gefährlich. Das Überwinden egoistischer Denkweisen und die Fortentwicklung des Integrationsprojekts Europa muss die Zielformulierung österreichischer Politik in der EU sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 12.2.2003)