Wien - Die bevorstehende Erweiterung der EU um zehn Staaten wird den Österreich-Tourismus in den kommenden Jahren weiter nach vorne katapultieren und Rückgänge anderer Herkunftsregionen mehr als kompensieren.

Allein aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Polen und Slowenien könnten Österreichs Beherbergungsbetriebe mittelfristig mit bis zu 300.000 zusätzlichen Nächtigungen rechnen. "Leichte Marktanteilsgewinne sollten möglich sein", sagte der Tourismusexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), Egon Smeral, bei der Präsentation eines von ihm verfassten Buches über "Die Zukunft des internationalen Tourismus".

Asien und pazifischer Raum im Kommen

Insgesamt betrachtet werde Europa seine Stellung als wichtigste Urlaubsregion der Welt behaupten können, allerdings Marktanteile verlieren. Gewinner sollten in den kommenden zwei Dekaden die Länder Asiens und der pazifische Raum sein.

Von den im Vorjahr gezählten 116,6 Mio. Nächtigungen in Österreich entfielen rund 2,5 Prozent oder 2,8 Millionen auf Gäste aus den Beitrittswerberländern Zentral- und Osteuropas. Den erwarteten Nächtigungsanstieg um rund zehn Prozent auf bis zu 3,1 Millionen in den Jahren nach dem EU-Beitritt begründete Smeral mit der zu erwartenden raschen Einkommensverbesserung. "Die EU-Strukturgelder werden einen Investitionsboom jenseits der Grenze auslösen, vergleichbar mit der Entwicklung, die wir im Burgenland nach dem Fließen der Ziel-1-Mittel gesehen haben", sagte Smeral. "Einkommenswachstum begünstigt den Tourismus überproportional."

Sprachen lernen

Neben Österreich würden auch Anrainerstaaten wie Deutschland und Italien im Tourismus überproportional von der EU-Erweiterung profitieren. Um das Potenzial zu nutzen, sei es notwendig, "die Sprache der Gäste zu lernen und deren Kultur", sagte der Chef der Österreich Werbung, Arthur Oberascher. Englisch allein genüge nicht, auch Tschechisch, Ungarisch, Polnisch und Slowenisch seien gefragt. Für die laufende Wintersaison und den bevorstehenden Sommer ist Oberascher optimistisch und rechnet mit Zuwächsen.

Fragezeichen Irak

Den Ausblick verhageln könnte allenfalls ein Krieg im Irak oder ein anderes Bedrohungsszenario, etwa neuerliche Terroranschläge in der Kategorie 11. September 2001. Der Golfkrieg zu Beginn der Neunzigerjahre sei für Österreichs Tourismuswirtschaft insofern spürbar gewesen, als beispielsweise die Zahl der US-Touristen schlagartig um 1250 Prozent abgenommen hat. Smeral: "Nach zwei Jahren war man aber wieder auf dem Stand von vorher."

Weiter zunehmen werden nach Einschätzung des Tourismusforschers Kurzurlaube. Tourismusbetriebe müssten stärker auf Qualität achten, da der Kurzurlauber qualitätsbewusster sei. Wünschenswert sei eine Entflechtung der starren Ferienordnungen.

Ein weiterer Trend, der sich ungebremst fortzusetzen scheine, seien Gesundheitsurlaube. (stro, DER STANDARD, Printausgabe 12.2.2003)