Otto Wagner (1841 - 1918): Haltestelle Karlsplatz der Wiener Stadtbahn 1898 (Detail)

Foto: KHM/© Museen der Stadt Wien, Wien

Gyula Tichy (1879 - 1920): Plakat der 4. Ausstellung der KÉVE im Nemzeti Salon, Erzsébettér, 1913

Foto: KHM/© Historisches Museum der Stadt Budapest, Budapest

Wien - Nein, das ist kein Beginn eines "Ungarischen Jahres in Österreich", das ist einfach eine überbordende Ausstellung, die Differenzen und Gemeinsamkeiten künstlerischer Art aus einer ehemals gemeinsamen Zeit gegenüberstellt. "Zeit des Aufbruchs - Budapest und Wien zwischen Historismus und Avantgarde" im Palais Harrach, einer Dependance des Kunsthistorischen Museums, blickt anhand von 600 Bildern und Objekten zurück. Erstmals, heißt es. Zurück in eine Vergangenheit, die der Monarchie, den Gesellschaftsdamen, der Landschaftsmalerei und dem Gesamtkunstwerk schlechthin huldigte.

Bis dato sei nur der österreich-ungarische Doppelcharakter der Operette bekannt. Dies auf die Ebene von Architektur, Musik, Literatur und bildender Kunst zu erweitern, ist Ziel der Schau.

In Zusammenarbeit mit dem Collegium Hungaricum importierte man vor allem aus bedeutenden ungarischen Museen das Kulturgut des ausgehenden 19. Jahrhunderts, welches auch Herend-Porzellan, Szolnay-Keramik, Kunstgewerbeobjekte oder historische Fotografien beinhält. Ein Foto zeigt etwa die Kettenbrücke, welche die beiden Stadtteile Buda und Pest verband; ein weiteres das historische Haas-Haus, das erste Wiener Großkaufhaus.

Der künstlerische Austausch zur Jahrhundertwende war vorprogrammiert, galt ja Wien neben München und Paris als Nabel der Kunstwelt. Miháli Munkácsy bemalte die Decke des Kunsthistorischen Museums, Károly Lotz, Schüler des Wiener Malers Carl Rahl, lieferte das Deckenfresko im Habsburg-Saal des königlichen Palastes in Budapest. Letzterer malte seine Frau im Rubens-Kostüm, während Ringstraßen-Konzeptkünstler Hans Makart Hannah Klinkosch im historischen Gewand porträtierte.

Schlicht & schräg

Direkt nebeneinander zu vergleichen sind die beiden Postsparkassen der Städte: Otto Wagners Gebäude nimmt sich schlicht aus gegen die heute sehr bizarr-schräg wirkende ungarische Version von Ödön Lechner.

Ein markantes Datum ist 1873, das Jahr der Wiener Weltausstellung, auf der unter anderem Pál Szinyei Merse das Bild Picknick im Freien zeigte, welches in eine neue Richtung von Landschaftsmalerei weist, die später auch von den so genannten Stimmungsimpressionisten beider Länder weitergeführt wurde - romantisierend etwa in Anton Romakos Zigeunerlager in Westungarn. Die Puszta, das "Afrika der Monarchie" (Ludwig Hevesi) wurde zum beliebten Motiv. Sehr modern wirkt Adolf F´enyes lichtdurchfluteter Vormittag in einer Kleinstadt (1904) gegen starre Porträts oder dunkelgründige Historienmalerei á la Die scheintote Julia Capulet am Hochzeitsmorgen (Makart).

Herausragende Künstlerstars wie der stilistisch sehr wandlungsfähige Joszef Rippl-R´onai sowie Künstlerkollektive rücken wenig bekannte Elemente ungarischer Kunstgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts ins Licht: Die secessionistische Gruppe aus Gödölö und die Gruppe "Die Acht" stehen im Vergleich mit der damaligen Wiener Avantgarde von Schönberg bis Schiele. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.2.2003)