Für Catherine Schrott persönlich geht nichts über "ein würziges, saftiges Brot mit Butter und ein Glas Milch."
Foto: dieStandard.at/Lechner
Noch bei der Abschlussfeier versuchte eine Lehrerin, Schrott den Berufswunsch auszureden: "Sie meinte, ich sei zu Höherem berufen, ich könne doch jetzt nicht Bäckerin lernen."
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"Die Lehrzeit war mit die schönste Zeit meines Lebens", sagt die Bäckermeisterin heute. Mittlerweile sei Bäckerin und Bäckermeisterin zu sein keine Seltenheit mehr: "Als ich mit dem Beruf begonnen habe, war ich das einzige Lehrmädel in Wien."
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Irgendwann wird es kein hangeflochtenes Mohnstriezerl mehr geben, sondern nur mehr eckige Laberl, die über die Maschine geformt werden, meint Schrott.
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Die KundInnen erwarten, dass sie jederzeit alles bekommen. "Das bedeutet aber, dass auch am Abend noch alles da sein muss und auch irrsinnig viel überbleibt."
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Knusprig braun und herrlich duftend liegen Brot, Semmerln und Golatschen in den Körben und auf den Blechen hinter der Glasscheibe. Im Geschäft läuft der morgendliche Betrieb, im Café laufen Unterhaltungen bei Frühstück, Kaffee und Kuchen. Nur in der Backstube ist längst Feierabend. "Gute Nacht", wünscht Catherine Schrott ihrem Mann, der sich soeben auf den Heimweg macht. Mit ihm führt die Bäckermeisterin seit 18 Jahren die gemeinsame Bäckerei im 15. Bezirk. Der Betrieb mit 50 MitarbeiterInnen ist seit 1885 in Familienbesitz, es wird produziert, zugeliefert und mittlerweile gibt es drei Filialen in Wien: "Es ist ein irrsinnig schöner Beruf, weil er so produktiv ist und weil man jeden Tag genau weiß, was man gemacht hat", schwärmt die Bäckerin. "Es riecht gut, es schmeckt gut, es sieht wunderschön aus und man fühlt sich so erfolgreich, wenn die Autos vollbeladen hinausfahren und alles fertig in der Auslage liegt."

Die Liebe zum Backen, die war bei Catherine Schrott schon immer da: "Ich habe schon als Kind gerne gebacken, vor allem Süßes - zu jedem Geburtstag habe ich Torten und Kuchen gemacht und mein ganzes Taschengeld in Rohstoffen angelegt." Als sie mit 15 dann die Gelegenheit bekam, in einer richtigen Bäckerei Weckerln zu backen, war klar: "Das will ich machen." Die Eltern waren einverstanden - wenn sie vorher die Matura macht. Noch bei der Abschlussfeier versuchte eine Lehrerin, ihr den Berufswunsch auszureden: "Sie meinte, ich sei zu Höherem berufen, ich könne doch jetzt nicht Bäckerin lernen." Doch von ihrem Ziel abbringen ließ sich die frisch gebackene Maturantin keineswegs - auch, wenn sich die Lehrstellensuche zunächst als äußerst schwierig erweisen sollte: "Damals, 1988, gab es für Frauen noch ein Nachtarbeitsverbot und deshalb waren Frauen in Backstuben äußerst selten. Ich musste einen Betrieb finden, der auch eine Garderobe und Toiletteanlagen für Frauen hat."

Schönste Zeit des Lebens

Schrott hatte Glück: Sie fand einen Bäcker, dem ihre Beharrlichkeit gefiel - und bei dem sie in der Nacht lernen durfte, auch wenn's eigentlich verboten war. "Die Lehrzeit war mit die schönste Zeit meines Lebens", sagt die Bäckermeisterin heute. Mittlerweile sei Bäckerin und Bäckermeisterin zu sein keine Seltenheit mehr: "Als ich mit dem Beruf begonnen habe, war ich das einzige Lehrmädel in Wien. Mittlerweile ist das Nachtarbeitsverbot gefallen, der Beruf ist körperlich weniger anstrengend, weil man nicht mehr so viel heben und tragen muss und es gab eine Zeit lang auch Förderungen für Betriebe, die Mädchen aufgenommen haben. Vor allem in den westlichen Bundesländern sind die Bäckerinnen jetzt sogar schon in der Überzahl." Für Schwangere gelte nach wie vor das Nachtarbeitsverbot: "Es stellen aber gerade die Großbäckereien auch schon auf Tagesschichten um, es wird also für Frauen immer leichter."

"Umgekehrter" Rhythmus

Der klassische Arbeitsbeginn in einer traditionellen Backstube ist zwischen halb elf Uhr abends und ein Uhr früh. Dann wird rund sieben Stunden unter ziemlichem Druck produziert. "Das ist viel körperliche Arbeit, mittlerweile passiert aber auch schon viel mit Maschinen, vor allem das Rühren, Kneten, Portionieren, Walken. Um fünf Uhr müssen dann die Autos mit der Ware raus und um acht Uhr spätestens ist für die NachtarbeiterInnen in der Backstube Schluss." Der "umgekehrte" Arbeitsrhythmus habe sie nie gestört - im Gegenteil: "Ich liebe diese azyklischen Zeiten: dass man heimgeht, wenn die anderen in die Arbeit gehen. Manche Menschen, die den BäckerInnenberuf ausüben, fühlen sich isoliert, weil sie abends nicht lange weggehen können. Mir macht es mehr Spaß, spazieren zu gehen und Sport zu betreiben und das ist nicht an den Abend gebunden." Dabei hat ihr ausgerechnet ein abendlicher Kino-Treff das private Glück gebracht: "Eine Freundin hat damals gesagt: 'Du, ich habe da einen Freund, der ist auch Bäcker ...' - so haben mein Mann und ich uns kennengelernt."

Schreibtisch statt Backstube

Heute ist Catherine Schrott Mutter von zwei Burschen, 14 und 17 Jahre alt, und sitzt als Chefin "leider viel zu oft" im Büro, um "den administrativen Kram" zu erledigen: "Diese Berge von Papier, das mag ich gar nicht. Ich stehe viel lieber in der Backstube und produziere, aber da komme ich leider nur noch selten dazu." Ihr Arbeitstag beginnt in der Regel um fünf und endet gegen eins, sechs Tage in der Woche, "wodurch wir leider kein Wochenende haben." Die Arbeitszeiten seien aber ein großer Vorteil bei der Kinderversorgung gewesen; eine Tagesmutter oder Extra-Betreuung hätte die Familie nie gebraucht: "Die Kinder sind sehr eigenverantwortlich aufgewachsen und alleine in die Schule gegangen, waren aber rund um die Uhr versorgt. Wir essen auch heute noch gemeinsam zu Mittag und haben, wie sie kleiner waren, die Nachmittage zusammen im Freien verbracht." Viele Bäckerväter würden ihre Kinder durch die Nachtarbeit mehr sehen als die meisten Väter: "Sie kommen am Vormittag nach Hause, holen die Kinder vom Kindergarten, spielen mit ihnen, bevor sie zur Arbeit müssen." Früher seien sie und ihr Mann mit den Kindern mittags und abends schlafen gegangen: "Jetzt kommen die Kinder heim, wenn wir schlafen gehen", lacht sie.

Konkurrenz Supermarkt

Was auch ihre Bäckerei zu spüren bekomme, seien die Konkurrenz aus den Supermärkten und der "Kampf um die Wirtschaftlichkeit": "Irgendwann wird es kein hangeflochtenes Mohnstriezerl mehr geben, sondern nur mehr eckige Laberl, die über die Maschine geformt werden. Wir kämpfen natürlich noch darum, indem wir uns spezialisieren - bei uns gibt es Schusterlaberl, Kümmellaberl, Salzstangerl und wir produzieren biologische Vollkornprodukte direkt vom Getreide weg, das wir selbst im Haus mahlen -, aber der Trend bei den Großbäckereien geht der Wirtschaftlichkeit halber in die andere Richtung." Natürlich gingen damit auch Geschmack und Backtradition immer mehr verloren, denn: "Die Kunden kaufen das, was ihnen preiswert erscheint - und das muss nicht immer das sein, was wirklich gut schmeckt: Großpackungen und lange haltbare Produkte werden oft vorgezogen. Es gibt aber auch viele Kunden, die sehr dankbar sind, dass es uns gibt."

Cornflakes statt Butterbrot

Für sie persönlich geht nichts über "ein würziges, saftiges Brot mit Butter und ein Glas Milch." Das Brot als Grundnahrungsmittel werde aber immer mehr durch Alternativprodukte verdrängt: "Es ist leichter, in der Früh Cornflakes und Milch auf den Tisch zu stellen, als Messer, Butter, Brot, aufzudecken. Außerdem wird viel außer Haus gegessen, den Kindern wird in die Schule kaum mehr ein Jausenbrot mitgegeben."

Produzieren für den Müll

Das Herz blute ihr, wenn sie an die vielen Tonnen von Backwaren denkt, die täglich allein in Wien als Überschuss weggeschmissen werden: "Die Kunden erwarten, dass sie jederzeit alles bekommen. Das bedeutet aber, dass auch am Abend noch alles da sein muss und auch irrsinnig viel überbleibt: Selbst wenn bei uns nur ein Stück pro Artikel da ist, sind dreihundert Stück über. Ich würde mir wünschen, dass die Konsumenten da umdenken - es ist doch ewig schad' drum. Die Kunden zahlen das ja auch mit: Die Stücke sind um ein Drittel teurer, wenn man nur dafür arbeitet, dass die Regale voll sind." Im eigenen Betrieb werde zwar nichts verbrannt oder weggeworfen - der meiste Überschuss gehe an Bedürftige und den Tiergarten Schönbrunn -, aber: "Der Bäcker, der in der Nacht geschuftet und die Produkte erzeugt hat, kommt in der nächsten Nacht, sieht diese Berge an übrigem Essen und fühlt sich unnötig, weil er weiß, er hat ein Drittel seiner Arbeitszeit für Retourware gearbeitet." (Isabella Lechner/dieStandard.at, 19.6.2008)