Wer ist diese Frau, die in einer Raumstation auftaucht, obwohl sie vor Jahren Selbstmord verübt hat? Natascha McElhone in der Verfilmung von Lems "Solaris".

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Echt schizo: die Brüder und Autoren Charlie und Donald Kaufman, beide gespielt von Nicolas Cage, in Spike Jonzes philosophischer Komödie „Adaptation“

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Fragen wie diese werfen im Wettbewerb der 53. Berlinale etwa "Adaptation", "The Hours" und "Solaris" auf.


Eine der traditionellen und traditionell obsoleten Unterscheidungen bei der Oscar-Verleihung ist jene zwischen bestem Originaldrehbuch und bester Adaption: Irgendwie geht dies davon aus, dass Originaldrehbücher Original- ideen und -erzählungen vermitteln (während doch eigentlich überall zitiert und referiert wird), während Adaptionen von gesicherten, meist auch erfolgreichen Vorlagen ausgehen (ja, und so starr sehen Literaturverfilmungen denn meistens auch aus).

Der amerikanische Drehbuchautor Charlie Kaufman, seit Being John Malkovich als Fachmann für äußerst originellen Umgang im Spiel mit Erzählebenen und Identitäten ausgewiesen - er dürfte eigentlich heuer für keinen Oscar nominiert werden. Sein neues Werk Adaptation, inszeniert von Spike Jonze, entzieht sich nämlich der Kategorisierung, obwohl es von einer Vorlage ausgeht: The Orchid Thief, geschrieben von der New Yorker-Journalistin Susan Orlean, entsprach als Meditation über ein tragikomisches Original auf der Suche nach raren Blüten einem esoterischen Zeitgeist.

Auf den ersten Blick ist es nicht unbedingt ein Stoff, den man mit dem bizarren Humor von Kaufman assoziieren würde. Tatsächlich verbindet der Autor denn auch die Adaption des Buches mit der Geschichte seines eigenen Scheiterns an dieser Adaption: Das heißt, Nicolas Cage spielt nach einem Drehbuch von Charlie Kaufman Charlie Kaufman und dessen (erfundenen) Bruder Donald Kaufman. So richten sich irgendwann einmal Kaufman gegen Kaufman, die beiden Kaufmans gegen Susan Orlean (Meryl Streep), der Film gegen das Buch, das Kino gegen sich selbst: Ein veritabler Überlebenskampf bricht aus, in dem zwischendurch immer wieder Darwin zitiert wird.

Entwicklungsprobleme

Adaption ist ja in der Entwicklungsgeschichte von Fauna und Flora nichts weniger als Anpassung an neue Verhältnisse: Wie überlebt also, fragt Kaufman, die Literatur im Umfeld des Kinos, oder geht daran dann das Kino vor die Hunde? Und was für arme Hunde sind erst recht Soldschreiber, die permanent bei der Arbeit an Büchern, die sie nicht "verraten" wollen, von Agenten belästigt werden: "Charlie, jetzt nicht rechtzeitig fertig zu werden, das wäre karrieremäßig ungeschickt ..."

Die 53. Berlinale, in deren Wettbewerb bei heftigem Applaus einmal mehr klar wurde, dass Adaptation auch karrieremäßig extrem smart konzipiert und gemacht ist - diese Berlinale mutierte am vergangenen Wochenende quasi zu einem kleinen Schwerpunkt zum Thema: Auch Stephen Daldrys Verfilmung von Michael Cunninghams Roman The Hours verschränkt Fiktionen mit teilweise tragischen Existenzerfahrungen, wobei ein anfänglich arg konstruiert anmutendes Spiel mit drei Zeitebenen auf erstaunlich ernsthafte, elegante und anrührende Weise aufblüht.

Drei Frauen, drei Orte, drei bürgerliche intellektuelle Milieus: Die Schriftstellerin Virginia Woolf (Nicole Kidman) arbeitet 1923, nach mehreren Zusammenbrüchen, in einem Londoner Vorort an ihrem berühmten Roman Mrs. Dalloway. Im Los Angeles des Jahres 1952 erwägt eine einsame Hausfrau und Mutter (Julianne Moore), Selbstmord zu begehen. Und im New York der Gegenwart ist eine Lektorin (Meryl Streep) mit Vorbereitungen für ein Fest für einen sterbenden Freund (Ed Harris) beschäftigt - und überfordert.

Es wird demnächst, wenn The Hours auch in Österreich anläuft, noch genauer dazulegen sein, wie komplex das Netz aus szenischen Motiven und Assoziationen ist, das der Regisseur und vor allem Drehbuchautor David Hare da spinnen: Vortrefflich gelingt jedenfalls die Kommunikation zwischen britischem Period-Drama, einer Imitation of Life, frei nach den kalifornischen Melodramen von Douglas Sirk, und zeitgenössischen Konversationsdramen (darunter etwa The Big Chill von Lawrence Kasdan).

Philip Glass strapaziert dazu in seinem Score die musikalische Endlosschleife vielleicht ein wenig gar zu penetrant. Und dass Nicole Kidmans Woolf-Nase auch noch digital verbessert wurde, ist in aller perfektionistischer Attitüde fast lächerlich. Dennoch: Nach diesen zwei Kinostunden eilt man sofort in die nächste Buchhandlung, um sich über Woolf und Cunningham weiter in die Materie zu vertiefen.


Anpassungsbedarf

Leben und der Anpassungsbedarf an mitunter scheinbar unausweichliche Verhältnisse - sie bedingen Verlust, aus dem nachher vielleicht Neues (Gutes?) entstehen kann: Dieses Thema von Adaptation und The Hours variiert auch Steven Soderberghs Verfilmung von Stanislaw Lems Roman Solaris (den schon Andrej Tarkowski einmal adaptierte): Eine Truppe von Weltraumforschern wird mit seltsamen Phänomenen rund um einen Planeten konfrontiert. Es ist nicht klar, ob nicht die Forscher längst Forschungsobjekte sind. So trifft ein Mann seine vor Jahren gestorbene Frau (Natascha McElhone).

Als man hörte, dass US-Regisseur James Cameron Solaris produziert hat, musste man unwillkürlich an die Wasser-und Weltraumwelten denken, in denen dieser - man denke nur an The Abyss - technische Forschung mit Selbsterforschung gleichschaltete: Actionkino als dynamisches Ehedrama hätte auch Solaris werden können, zwischen stahlblauen Apparaturen, die die Protagonisten souverän bedienen, während sie doch gleichzeitig sich selbst und ihre direkten Gegenüber nicht immer richtig einschätzen. Tatsächlich hat Cameron für Soderbergh auch eine wunderbare Raumstation konstruiert, in der nun George Clooney und seine Crew langsam irre werden. Allein: Das ist für Soderbergh bestenfalls statischer Hintergrund.

In kühl ausbalancierten Großaufnahmen konzentriert er sich auf Blickwechsel zwischen Mann und Frau, Erinnerungen an eine Liebe in einer Großstadt in nicht allzu ferner Zukunft. Stilisiert, ja manieriert. Und Clooney könnte für komplexere Rollen durchaus noch Schauspielunterricht vertragen. Trotzdem: Dazwischen ist Solaris schon immer wieder super. Wie da die Astronauten irgendwann nicht mehr wissen, ob sie noch ganz sie selbst sind, das erinnert an John Carpenters Dark Star.

"Ich denke, Sie sind ein Fall für den Higgs-Kompressor": Noch mehr von diesem lakonischen Humor, und Solaris wäre mehr als eine interessante Fußnote geworden. (DER STANDARD, Printausgabe vom 10.2.2003)