London/Zürich/Paris - Die britische Zeitung "Sunday Times" kommentiert am Sonntag den Zusammenhang zwischen dem Irak-Konflikt und der politischen Stabilität im Nahen Osten:

"US-Außenminister Colin Powell versprach in der vergangenen Woche, dass Präsident Bush nach dem Krieg eine aktivere Rolle im Friedensprozess übernehmen werde und dass die Entstehung eines demokratischen Regimes im Irak den Nahen Osten 'fundamental verändern' würde.

Kritiker glauben, es sollte genau andersherum sein: Erst die Palästinenser-Frage klären, und der Hass wird sich von selbst auflösen. Aber haben wir das nicht seit seinem halben Jahrhundert probiert? Und kann es überhaupt funktionieren, solange die palästinensischen Verhandlungsführer Terroristen auf ihrer Seite haben und rücksichtslose staatliche Sponsoren, die ihnen Gewehre in den Rücken stoßen? Die Entfernung Saddams könnte mehr Schwierigkeiten beseitigen, als wir uns heute vorstellen."

The Observer

Die britische Sonntagszeitung "The Observer" wirft Tony Blairs Regierung vor, mit dem von einem Studenten abgeschriebenen Dossier zum Irak-Konflikt die Bürger getäuscht zu haben:

"Im schlimmsten Fall verspielt das absichtliche Unterfangen, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, das Vertrauen in alles, was die Regierung in dieser entscheidenden Phase über die irakische Bedrohung sagt.

Hat Downing Street (Amt des britischen Premierministers, Anm.) verstanden, dass die bewährten Propaganda-Tricks von gestern heute eher auf Ablehnung stoßen? Nicht nur die Regierung hat Zugang zum Internet. Jede ihrer Behauptungen wird immer genauer und von immer mehr Menschen geprüft als jemals zuvor. Nichts kann das Vertrauen leichter zerstören, als bei dem Versuch erwischt zu werden, die Intelligenz der britischen Öffentlichkeit zu beleidigen. Tony Blair muss dringlichst sicherstellen, dass seine Regierung Informationen auf eine professionellere, offene Art und Weise herausgibt."

Neue Zürcher Zeitung

Die Sonntagszeitung der Schweizer "Neuen Zürcher Zeitung", die "NZZ am Sonntag", schreibt zur Entwicklung im Irak-Konflikt:

"Saddam Hussein kann nicht abgewählt und schon gar nicht wegdiskutiert werden, das gerade ist das Wesen seiner absolut repressiven Diktatur. So sind sich zwar viele Bürger dieses Kontinents über die von Bagdad ausgehende Bedrohung einig; und trotzdem ist fast niemand überzeugt von der Notwendigkeit eines Krieges.

Was aber, wenn das nachweislich stumpfe Sanktionsinstrument versagt, das ewige Pochen auf Völkerrechtsnormen nichts bringt und die Hoffnung zerstiebt, die UNO-Inspektoren könnten ihrer Sache so sicher sein, dass sie die Geigerzähler niederlegen und sagen: "Der Irak stellt keine Bedrohung mehr dar"? Die UNO soll's dann richten, heißt es - und auch die NATO erhält erstaunlich viel Zuspruch. Doch angenommen, diese zwei Gremien seien mangels Konsenses nicht handlungsfähig? Soll man dann den Diktator einfach gewähren lassen? - Das war schon in Kosovo keine wirklich überzeugende Option."

Le Monde

Die linksliberale französische Tageszeitung "Le Monde" (Paris) befürchtet am Sonntag eine antiwestliche Terrorwelle als Folge eines Irak-Krieges:

"Als die Amerikaner 1991 die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieben hatten, wollten einige bis Bagdad marschieren und 'Schluss machen mit Saddam Hussein'. Damals war Colin Powell als Generalstabschef einer der erbittertsten Gegner eines solchen Einmarsches. Jetzt wird wahrscheinlich genau das passieren. Und was soll nach dem Krieg geschehen? Aus Washington gibt es keine Antwort darauf. Eine Stabilisierung des Nachkriegs-Irak dürfte eine mehrjährige militärische Besatzung erforderlich machen. Diese könnte eine anti-amerikanische Intifada mit Selbstmord-Anschlägen gegen GI-Kasernen auslösen und eine neue antiwestliche Terrorwelle fördern. Das hat es schon gegeben, in Beirut Anfang der 80er Jahre während des endlosen Libanon-Krieges." (APA/dpa)