Oswald Demattia

Hamburg - Ist es vorstellbar, dass ein Landwirtschaftsminister niemals einen Bauernhof besucht, aber öffentlich über Stallgerüche die Nase rümpft? Genau diese Vorstellung ist offenbar Dana Horákovás fester politischer Wille, im Umgang mit Tom Strombergs Hamburger Schauspielhaus jedenfalls ihre Praxis. Die Kultursenatorin der Hansestadt präsidiert zwar von Amts wegen dem Aufsichtsrat der Bühne, aber anschauen oder gar genießen mag sie die Früchte der beaufsichtigten Theaterarbeit nicht.

Dafür gönnt sie sich das Vergnügen, die Öffentlichkeit wissen zu lassen, was sie von den Aufführungen hält, die sie nicht gesehen hat. Einfach enttäuschend sei das Gebotene. Es gelinge Stromberg nicht, die Stadt zu inspirieren. Woher sie so genau im Bilde ist? "Ich höre, was die Besucher sagen, lese die Presse."

So viel Bescheidenheit ist selten: "Ich habe kein Problem mit Stromberg. Ich habe ein Problem mit seinen Bilanzen", entgegnet sie Vermutungen, sie würde die ungeliebte, von der Vorgängerin geerbte "Altlast" lieber gestern als heute loswerden, wenn ihre eigenen Bilanzen es nur zuließen.

Doch die Furcht vor hohen Abfindungszahlungen für Strombergs bis 2005 laufenden Vertrag ist größer als der Spielplanverdruss. Eine Jobgarantie macht keck. Weshalb Stromberg auf die Klage seiner Dienstherrin mit einem trotzigen "Das ist mir wurscht!" reagiert. Und ein Rückzug komme schon gar nicht infrage: "Wegen Frau Horáková? Ich denke nicht daran."

Aber ob gerne oder nicht - es gehen schlicht zu wenige hin. Selbst respektable Produktionen wie die vom CDU-Kultursprecher werbewirksam als "Kopulationstheater" gegeißelte Uraufführung von Roland Schimmelpfennigs Vorher/Nachher oder jüngst der von Sebastian Hartmann mit juvenilem Schwung in Szene gesetzte Platonow ändern kaum etwas daran. Weil bei einer Auslastung von 50 Prozent beinah jede zweite Karte zum ermäßigten Schüler- und Studentenpreis verkauft wird, hat inzwischen auch Stromberg ein Problem mit den Bilanzen.

In seiner Finanznot macht er etwas, das sich selbst dickfellige Politiker kaum trauen: Er schließt ein Theater. Ende April, mitten in der laufenden Saison, dreht er der 70-Plätze-Experimentierbühne "Neues Cinema" den Geldhahn zu. Ausgerechnet seiner eigenen Erfindung, wo er das Versprechen, einen Ausweg aus der etablierten, bequemen Konsensästhetik des Stadttheaters zu suchen, weitgehend einlöste, während er das Große Haus nach ersten Widerständen rasch als Fachgeschäft für bunt eingepackte, leicht konsumierbare Klassikerware restaurierte.