Wien - Die Einführung des elektronischen Krankenscheins - kurz e-card - ist selbst ein Fall für die Notstation. Nach mehrmaligem Aufschub droht nun eine weitere, womöglich längere Verzögerung, eine Summe misslicher Begleitumstände. "Wenn der Hauptverband nun auf neue Lieferanten setzen sollte, ist eine Neuausschreibung des Projekts notwendig", sagte ein Rechtsanwalt, der namentlich nicht genannt werden wollte, dem STANDARD. Dies könnte inklusive Vorbereitungszeit für mögliche neue Lieferanteneine Verzögerung von locker zwei Jahren bedeuten.

Ursprünglich hätte die e-card bereits im ersten Halbjahr 2002 die Papierflut im österreichischen Gesundheitsbereich eindämmen und Kosten sparen helfen sollen. Anfangs gab es Probleme mit dem Chipkartenlieferanten Orga. Das deutsche Unternehmen, das sich 2001 gemeinsam mit dem US-Informationsdienstleister EDS den 90 Mio. Euro schweren Auftrag gesichert hatte, war wegen finanzieller Schieflage zu harten Sanierungsmaßnahmen gezwungen. Mittlerweile scheint Orga wieder überm Damm zu sein. "Wir sind startbereit, könnten e-card und Terminals sofort liefern", sagte Orga-Sprecher Bernd Schäfers-Maiwald. Die erste zertifizierte Chipkarte sei bereits im November 2002 übergeben worden.

Probleme mit Softwarelieferanten

Probleme gibt es mit dem Softwarelieferanten EDS, dem nach IBM global zweitgrößten IT-Dienstleister. Dem Vernehmen nach möchte sich EDS auf Geheiß der Konzernzentrale in den USA vom Projekt zurückziehen, weil sich der Auftrag nicht mehr rechne. Von EDS Österreich gab es dazu keine Stellungnahme.

Im Hauptverband hält man indes noch immer an dem zuletzt auf Ende 2004 verschobenen Ziel für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit der e-card fest. "Wir sind stark daran interessiert, die Karte so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen und werden alles versuchen, dass dies gelingt", sagte Ursula Weismann, Geschäftsführerin der Chipkartentochter des Hauptverbandes. Dem Konsortium EDS/Orga droht wegen der bisher eingetretenen Verzögerung eine Klage in Höhe von fünf Mio. Euro, die sich auf bis zu 70 Mio. Euro erhöhen könnte.

Siemens Österreich soll dem Vernehmen nach interessiert sein, zusammen mit Telekom Austria und IBM den Part von EDS zu übernehmen. "Kein Kommentar", hieß es dazu von Unternehmensseite. Als eine Möglichkeit, das Projekt ohne gröbere Verzögerungen über die Bühne zu bringen, wird eine Übernahme des EDS-Bereichs Health Care gehandelt. Das könnte juristisch aber als "Tatbestand der Umgehung" gewertet werden und wäre somit unzulässig, heißt es in Rechtskreisen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe 8.2.2003)