Gerald Karner: "Auch deswegen, weil sich die USA keine Blöße leisten können"

Foto: Standard/Cremer

Wien - "Es waren ja keine wirklichen Sensationen zu erwarten, nichtsdestoweniger ist das vorgelegte Material sehr plausibel", erklärte Brigadier Gerald Karner am Donnerstag im Interview mit dem Standard. Das Beeindruckende an der von Colin Powell präsentierten Evidenz, so der Militärstratege und Chefredakteur der Österreichischen Militärischen Zeitschrift, sei nicht unbedingt deren Tiefe gewesen, sondern vor allem deren "umfassende Darstellung in Wort, Bild und Ton".

Die nachrichtendienstliche Qualität des Materials schätzt Karner als gut ein: "Ich gehe davon aus, dass die amerikanischen Vorwürfe hieb- und stichfest sind." Das sei schon allein deshalb anzunehmen, weil nun natürlich alle anderen Dienste die Behauptungen von Powell überprüfen würden. "Da ist es schon sehr wahrscheinlich, dass sich die Amerikaner keine Blöße geben wollen. Denn das wäre nicht nur ein Imageschaden, es würde auch die Zielsetzung der USA extrem gefährden."

In der Praxis, räumt der Brigadier ein, sei eine solche Überprüfung freilich ein ziemlich schwieriges Unterfangen: "Es wird untersucht werden, ob das optische und akustische Material mit dem eigenen übereinstimmt. Vor allem die Russen und Chinesen werden die Fotos mit jenen ihrer eigenen Spionage_satelliten vergleichen. Da ist rasch klar, ob etwa die Angaben der Amerikaner zu den Anlagen zutreffen oder nicht."

Manipulationen

Einen Abgleich werde es auch bei den aufgefangenen Funksprüchen geben. Die Möglichkeiten der Manipulation seien dort aber viel größer als im optischen Bereich - die Gespräche könnten durchaus etwa mit Exil-Irakern fingiert worden sein. "Und was den Entstehungszeitpunkt der Satellitenaufnahmen betrifft", erklärt Brigadier Karner, "ist es nahezu unmöglich, diesen einigermaßen nachvollziehbar zu bestimmen."

Dennoch: Auch in der Kubakrise sei nicht auf allen Fotografien klar gewesen, dass dort Raketen in Stellung gebracht wurden. "Viel mehr als die Evidenz zählt deswegen deren Darstellungsform", so der Militärstratege. "Und die deutet darauf hin, dass die USA ihren Kriegsgrund gefunden haben, dass die Beweise in ihrer Sicht für eine Intervention im Irak bereits ausreichen. Ob nun mit oder ohne neue Resolution des UN-Sicherheitsrates."

Der frühestmögliche Zeitpunkt für eine solche Intervention ist für Karner Anfang oder Mitte März: "Der Aufmarsch am Golf hat sich seit Dezember zwar deutlich beschleunigt, aber die Truppenkonzentration ist noch nicht so umfangreich, dass es sich früher ausginge." (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 7.2.2003)