Foto: Katalog
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Der Monitor ist pechschwarz. Doch am linken und rechten Bildschirmrand sausen zwei weiße Klötzchen auf und ab. In relaxter Regelmäßigkeit wirft sich ein Würfelchen zwischen den beiden unermüdlich hin und her. Ein Spieletisch aus Biene Majas Geburtsstunde heißt den Besucher der Ausstellung "Computerwelten" im Siemens Forum Wien willkommen. Die Tafel ist eine private Leihgabe und voll gepackt mit Erinnerungsstücken, die direkt von Rudi Carells "Am laufenden Band" stammen könnten.

Ein jedes Handy hat heute mehr drauf und drin, als das hier kredenzte Unterhaltungssammelsurium der 70er-Jahre. Und doch, kaum ein Computerspiel entlockt uns ein derartiges Gefühl des "Heimkommens" wie diese Game-Fossilien.

Zum Schmunzeln gibt's viel in der kleinen, aber komprimierten Ausstellung, welche gutes Licht auf die Meilensteine aus 5000 Jahren Rechenkunst wirft. Zum Staunen aber auch. So sollte ein Lächeln angesichts des ausgestellten Rechentischs des Adam Ries aus dem 16. Jahrhundert nach näherer Betrachtung des gescheiten Möbels einem Respekt zollenden Ahaerlebnis weichen. Der Tisch ist eine beachtliche Denkleistung des als "Vater der europäischen Rechenkunst" Geehrten. Es waren auch Ries' Bücher, die das schriftliche Rechnen in Europa etablierten.

Der Gang durch die Ausstellung führt weiter vorbei an Rechenstäbchen, Rechenschiebern. Knapp, aber präzise gestaltete Tafeln erklären mechanische Webstühle und die automatischen Tempeltüren des Heron aus dem 1. Jhdt. n. Chr. Und sogar die winzig kleinen Musikautomaten, die über Kürbelchen kleine Walzen zum Klingen bringen und sich einst in Kinderüberraschungen versteckten, werden hier geehrt.

Über andere Rechenmaschinen wie jener hölzernen von Gottfried Wilhelm von Leibniz oder Wilhelm Schickard gelangt man zu Objekten, die von Zeitgenossen schon eher als Computer erkannt werden könnten. Letzterem gelang es übrigens, mit seiner von Zahnrädern getriebenen Rechenmaschine die Grundrechnungsarten mit bis zu sechsstelligen Zahlen durchzuführen. Charles Babbage scheiterte dann 1822 mit seiner von ihm vorgestellten "Differenzenmaschine" an fertigungstechnischen Schwierigkeiten seiner Zeit, doch Ada Augusta Kings verfasste Aufzeichnungen zu seiner analytischen Maschine gelten heute als erstes Programmierhandbuch der Welt.

Von diesem geht's auch schon schnurstracks zu Hermann Holleriths Geistesblitz namens Lochkarte mit deren Hilfe die amerikanische Volkszählung 1890 bereits in vier Wochen abgeschlossen werden konnte. 1880 hatte sie noch beinahe sieben Jahre gedauert. Holleriths Unternehmen war übrigens die Keimzelle von IBM.

Und egal wie veraltet oder modern die in der Ausstellung gezeigten Objekte erscheinen mögen, auch die gestalterische Komponente hat durchaus das Zeug zur Attraktion. Knöpfe, Kurbeln, Rollen, Räder, Flat Screens, Chips, virtuelle Touchscreens oder Disketten - die Kleidchen, in die all diese erfinderischen Meisterleistungen gesteckt wurden, sind ein eigenes, wenn auch dem Innenleben angepasstes Kapitel. Und auch hier: Schmunzeln und Staunen.

Der Durchbruch zur "Denkmaschine" gelang schließlich mit dem Übergang von der mechanischen zur elektrotechnischen Mechanik, Pionier und "Vater des Computers" war Konrad Zuse, der seine ersten Meisterleistungen in der elterlichen Wohnung vollbrachte. Seine Rechner Zuse Z1, Z2, Z3 und Z4 waren die ersten Superhirne, wobei der Z3 1941 als erster voll funktionsfähiger Computer mit Programmsteuerung vorgestellt wurde. Der Zuse Z23 war übrigens bis 1987 bei der niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde im Einsatz. Und Zuse schafft auch eine andere Verbindung zur Ausstellung, wurde die 1949 gegründete Zuse KG im Jahr 1969 doch von der Siemens AG übernommen - ein Deal aus den Anfangszeiten des modernen IT-Geschäfts.

Auch andere Pioniere und Superrechner finden freilich ihren Platz in der Schau, Mark 1, Eniac, Edvac, Tradic und Mailüfterl werden sie genannt, wobei das Zitat des Mailüfterl-Vaters, des Wieners Heinz Zemanek, hier keinesfalls fehlen darf, "Wenn es auch nicht die rasante Rechengeschwindigkeit amerikanischer Modelle erreichen kann, die ,Wirbelwind' oder ,Taifun' heißen, so wird es doch für ein Wiener ,Mailüfterl' reichen." Das Mailüfterl wurde 1958 in Wien nach zweijähriger Bauzeit fertig gestellt. Mit 1000 Kilo war es zwar ein schweres Lüfterl, aber dafür durfte es sich auch "erster volltransistorisierter Computer Kontinentaleuropas" nennen.

Die Welt des Computers ist auch immer eine Welt der Superlative und auch diesbezügliche Informationen werden dem Besucher nicht vorenthalten, erfährt er doch zum Beispiel, dass ein Megabit Speicherplatz Anfang der 70er-Jahre noch im wahrsten Sinne des Wortes ein Haus kostete. Zwar nur ein Einfamilienhaus, aber heute ist derselbe Platz um den Gegenwert eines Kaugummis zu bekommen. Ein anderer Superlativ widerlegt eine Studie aus den 50er-Jahren, in der man zum Schluss kam, dass mit nur zwanzig Computern der Weltbedarf an Rechenleistung gedeckt wäre. Irren ist menschlich, aber freilich ist auch der Computer nicht fehlerfrei, denn schafft es wohl nur künstliche Intelligenz, die den Satz "Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach" mit "Der Alkohol ist brauchbar, aber der Braten ist schlecht" übersetzt. Nachzulesen im Katalog zur Ausstellung. Es menschelt also auch zwischen all den Relais, Bits und dem Cyberspace.

Gegen Ende der Schau schrumpfen die Geräte gewaltig, sie werden flacher, zum Teil unsichtbar, verblüffen aber umso mehr. Mobile Videokonferenzen, elektronische Psychologie, allerlei Virtuelles, medizinische Wundermaschinen, Roboterfußball und andere Game-Highlights bieten sich dem Besucher der Computerwelten am Schluss der Ausstellung. Dieser sollte sich, hier angelangt, unbedingt von einem Avatar, einer virtuellen Person im Cyberspace, verabschieden und ihm dabei per Mausklick eine Träne entlocken.

Laut Albert Hochleitner, dem Generaldirektor der Siemens AG Österreich, soll diese ausgestellte Geschichte der Innovation Anstöße für eine nachhaltige Entwicklung geben, für eine ökonomisch, ökologisch und sozial lebenswertere Zukunft. Apropos Anstöße, vielleicht wagt man ja noch ein Match gegen das kleine weiße Klötzchen am Bildschirmrand, das einem so freundschaftlich vertraut wiederbegegnet, nach einem Ausflug in ein erstaunliches, weltbewegendes Hochkonzentrat rechnerischer Meisterleistungen. (Der Standard/rondo/Michael Hausenblas/07/02/2003)