Andreas Felber

Wien - Nur einen Wahlgang benötigt die Jury des Hans-Koller-Preises, um 2002 den "Newcomer des Jahres" zu küren. Der Fall war klar; und nicht einmal Thomas Gansch selbst war wirklich überrascht, tatsächlich ist der 27-jährige Trompeter und Komponist in den letzten Jahren gleichsam naturereignishaft über die Jazzszene gekommen. Als Paradiesvogel - strotzend vor Virtuosität, Witz und eklektischer Neugierde. Mathias Rüegg wusste zweifellos, weshalb er ihn 1999 ins Vienna Art Orchestra berief:

"Mathias hat mich immer sehr intuitiv gepackt: Engagiert hat er mich, als ich in einem Lokal ein Tubasolo von Blood, Sweat & Tears mitgesungen habe. Zwei Wochen vor dem ersten Gig hat er mich gefragt: ,Gansch, was kannst du wirklich?'" Dass Gansch damals noch keine Antwort wusste, hatte zweifellos mit seiner Biografie zu tun:

Als Spross einer Musikerfamilie aus Melk - der Vater war als Kapellmeister und "Marschmusikkönig" bekannt, der Bruder als Trompeter bei den Wiener Philharmonikern tätig - "hatte ich keine Chance, etwas anderes als Musiker zu werden". Sechs Jahre klassischer Trompeten-Drill an der Musikuni und Substitutenjobs in den Wiener Orchestern von RSO-Wien bis zur Staatsoper ließen in ihm freilich die Gewissheit reifen, dass sein Weg in eine andere Richtung läuft.

"Ich habe gelernt, nicht mehr nach Perfektion zu streben, sondern meine Fehler zu akzeptieren. Und dass ich niemals jemand anderer sein kann als ich selbst", sagt er heute, nach drei Jahren der Selbstfindung im VAO. Die Fakten sprechen Bände: Mnozil Brass, die von ihm mitinitiierte "Selbsthilfegruppe für gescheiterte Klassikstudenten", die zum Auftakt der Gansch-Personale das Porgy & Bess überfüllte, stellt mit rund 100 Konzerten pro Jahr zurzeit den absoluten Live-Band-Renner dar: mit einem amüsant zelebrierten Zitatfeuerwerk aus Filmmelodien, Polkas, Mozart- bis Bruckner-Fragmenten und trashigen Gesangseinlagen. Gnadenlose Gute-Laune-Musik: "Ich stehe auf niveauvolles Entertainment. Die Musik hat eine klare, positive Aussage, das kann jeder politisch umlegen, wie er will. Aber die Musik, die ich mache, ist keinesfalls rechts."

Was er denn darüber denke, dass angeblich auch Nationalratspräsident Andreas Khol zu den Mnozil-Brass-Fans zählt: "Prinzipiell ist mir das egal. Aber wenn es so ist, würde ich mich freuen, einmal mit ihm zu reden. Mich interessiert, warum ein hochintelligenter Mensch am Montag das sagt und am Mittwoch etwas anderes." Eine Mnozil-Brass-CD verdichtet auf ein Fünf-Minuten-Stück, so kann man sich zudem die Musik von Gansch & Roses vorstellen.

Das 2002 veröffentlichte CD-Debüt lässt mit den Ohren schlackern: Gleich einem John Zorn der Blasmusik reiht Gansch wie im Zeitraffer musikalische Bildsequenzen aneinander, zu einer Collage montiert. Don Ellis meets Tom & Jerry. "Warum soll ich etwas konstruieren, wenn am besten ein Bond-Thema passt. Mir ist es lieber, gut zu klauen, als schlecht zu schreiben. Darum bin ich froh, dass es Robbie Williams gibt. Weil wieder gute Musik in der Hitparade ist. Dass er nicht wie Sinatra singen kann, ist klar."