"Ein schauriger Fall von Déjà-vu für uns alle", erklärte der CNN-Reporter Gary Tuchman: Viele Amerikaner erinnern sich noch lebhaft an die Tragödie des 28. Jänner 1986, als die Raumfähre Challenger kurz nach dem Take-off explodierte. Auch damals waren sieben Personen ums Leben gekommen.

Mehr als die Challenger-Katastrophe jedoch steckt die Erinnerung an eine andere nationale Tragödie, die der Terroranschläge des 11. September 2001, den Amerikanern noch immer in den Knochen. Der Absturz der Columbia führte ihnen nun erneut lebhaft vor Augen: Die USA sind eine durch die anhaltende Bedrohung des weltweiten Terrorismus und die düstere Aussicht eines drohenden Irakkrieges zutiefst verunsicherte, in ihren Grundfesten erschütterte Nation.

Weinender Bush

Präsident George W. Bush wandte sich wenige Stunden nach der Tragödie aus dem Weißen Haus an die Amerikaner. Mit Tränen in den Augen erklärte er: "Die Columbia ist verloren. Es gibt keine Überlebenden." Bush lobte den Mut, die Courage und den Idealismus der Astronauten und zitierte die Bibel: "Der gleiche Schöpfer, der die Sterne benennt, kennt auch die Namen der sieben Seelen, um die wir heute trauern." Trotz allem ließ Bush jedoch keine Zweifel an der Weiterführung des Raumfahrtprogrammes: "Unsere Reise in das All wird weitergehen."

Zum ersten Mal seit Monaten wurde Saddam Hussein und die PR-Maschinerie für einen Irakkrieg aus den US-Nachrichtensendungen verdrängt. Reguläre Fernsehstationen ersetzten ihre samstäglichen Morgensendungen, in erster Linie Cartoons, mit "Breaking News" und alle ganztägigen Kabel-Nachrichtensender widmen sich seit Samstagfrüh der Tragödie über Texas. Immer wieder werden die Bilder des strahlend blauen Himmels über Texas gezeigt, in der ein weißer Streifen den Lauf der Columbia und ihr Aufsplittern dokumentiert. Später dann kommen Bilder aus dem Nasa-Hauptquartier und die fehlende Response der Shuttle-Crew dazu: Momente der Stille, die durch Amerika zu "dröhnen" schienen.

"Schief gegangen"

Der ehemalige Astronaut John Glenn hatte vor 41 Jahren als erster Amerikaner die Erde in einem Raumschiff umkreist; 1998 nahm er im Alter von 77 Jahren und kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Senat, in dem er 24 Jahre gedient hatte, noch einmal an einer Mission eines Weltraum-Shuttles teil. Glenn und seine Frau Annie hatten es sich soeben in ihrem Haus in Maryland bequem gemacht, um die Landung der Columbia zu verfolgen; später gaben sie ihrer Erschütterung Ausdruck. "Wenn man den Kontakt für einige Minuten verliert, dann weiß man, dass etwas fürchterlich schief gegangen sein muss."

Die demokratischen Mitglieder des US-Repräsentantenhauses waren zu einer Wochenendklausur in Pennsylvania zusammengetroffen, um eine Strategie zu entwerfen, mit der sie Präsident Bush bezüglich Steuersenkungen, Altersfürsorge und seine innenpolitischen Pläne konfrontieren wollten. Anstatt dessen begannen sie zu beten. "Wir hatten gedacht, dass wir uns mit Angelegenheiten größter Wichtigkeit beschäftigten", erklärte Minderheitenführerin Nancy Pelosi, "aber es ist nicht mehr vorrangig, das alles jetzt zu diskutieren."

Beobachter der politischen Szene sind der Ansicht, dass es sich für die Bush-Regierung als äußerst schwierig erweisen wird, einer trauernden Nation einen Krieg in einem weit entfernten Land zu "verkaufen": Der Tod dieser sieben Helden des Weltalls zeige drastisch auf, dass bei einem möglichen Krieg gegen den Irak nicht nur sieben, sondern Tausende Amerikaner ihr Leben verlieren könnten. Während der nächsten Tage könnte die auf vollen Touren laufende Werbekampagne seitens der Bush-Regierung für den Irakkrieg vermutlich vorübergehend eingestellt werden.

Konsequenzen unklar

Bisher ist noch nicht klar, ob die Shuttle-Tragödie auch eine Auswirkung auf den für Mittwoch, den 5. Februar, geplanten Auftritt von Außenminister Colin Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat haben wird. Die Bush-Regierung hat eine heikle Gratwanderung vor sich: Jede Entscheidung, die von Bush nunmehr getroffen wird, könnte sich zum einen als Bumerang erweisen und pietätlos wirken. Andererseits könnte es durch die Katastrophe aber auch zu einem Schulterschluss der trauernden Amerikaner hinter ihrem Präsidenten kommen. (Susi Schneider aus New York, Der Standard Printausgabe, 3.2.2003)