Also, wie fast alle AustriakInnen unserer Generation sind wir als Dosentunfischesser sozialisiert; die erstaunliche Tatsache, dass dieses Tier - als viele, viele Dosenportionen auf einmal - in Fischform im Meer herumschwimmt, kam uns erst zu Bewusstsein, da waren wir anderweitig schon aufgeklärt. An letzterer Problematik anknüpfend fragen wir uns jedoch seit einiger Zeit - ergebnislos -, ob in Fuchsens Schwangerschaft vielleicht irgendwas Regressives in Bezug auf Tunfisch passiert ist: Leopoldine (5) bringt es auf gut 150 Dosen pro Jahr. Vielleicht ist es aber auch nur eine simple Quecksilberdependenz.

Das Beste am Tunfisch unserer Kinderzeit war, dass er noch ein h hatte, da konnte man noch unmissverständlich schreiben: Als eine der Tugenden des Thuns wird dessen relative Neutralität betrachtet. Heute frägt (das ä ist die Rache fürs gestohlene h!) man sich nach dem gleichen Satz: Welches Tun? Ach so, nicht Tun, sondern Tun! Die routinierten DosenöffnerInnen können die Neutralität jedenfalls nicht bestätigen, da fischelt es sehr wohl kräftig heraus. Aber das ist eben das Ceterum Censeo zum Thema: Schon Alexandre Dumas Père schreibt in seinem "Großen Wörterbuch der Kochkunst", dass der Tunfisch "sowohl in Geschmack also auch in der Farbe dem Kalbfleisch ähnelt". Er sei weder "Fisch noch Fleisch, das Kalb der Kartäuser".

Soll sein, den katholischen Tricks, das sündige Fleisch zu vermeiden und trotzdem gut zu mampfen, verdanken wir ja viele kulinarische Freuden. Der Tunfisch ist aber zurzeit auf unserer Tafel am häufigsten roh zu finden, dazu begeben wir uns weg vom christlichen Abendland ins Asiatische. Dort ist ja auch das Thunnophagenland schlechthin, Japan, mit seinem jährlichen Bedarf von 480.000 Tonnen (voriges Jahr war's eine mehr, ätzt die Fuchs, da war die Harrer dort).

Ihren akklamierten rohen Tunfisch macht die Fuchs so: Das - am besten (teuer!) in einer Sushibar gekaufte, der große Umsatz bedeutet Frische - Filet in Zwei-Zentimeter-Würfel schneiden und eine halbe Stunde vor dem Verzehr in folgende Marinade (für dreißig Deka geputzten Fisch) einweichen: je zwei Esslöffel helle Sojasauce und Olivenöl, einen Teelöffel geschälten geriebenen Ingwer, ein Teelöffel Sesamöl, etwas Zitronensaft und/oder Aceto Balsamico, Salz und fein geschnittener Schnittlauch. Am Ende eventuell nachwürzen, dazu Gari (eingelegter japanischer Ingwer) und einen Rucola-Kirschparadeis-Salat servieren.

Die Harrer lässt Schnittlauch in der Marinade und Gari als Begleitung weg und nimmt stattdessen eine Spur Frühlingszwiebel und viel grünen Koriander und reibt den Ingwer - mehr, als die Fuchs nimmt - nicht, sondern schneidet ihn fein. Aber wir essen eine brav und ohne Proteste das Rezept der anderen, wir wissen ja, was sich gehört. Aber weil wir heute schon einmal beim höflichen Dissens sind: Auch die Mittelmeerküche zum Thema Tunfisch - mit Paradeiser-Kapern-Sauce - wird von Ihren beiden untertänigsten Köchinnen unterschiedlich aufgefasst.

Die Fuchs macht's klassisch spanisch: Eine Scheibe vom frischen Tunfisch, etwa 1,2 Kilo schwer (die hat zirka zwanzig Zentimeter Durchmesser), wird eine halbe Stunde in kaltem Wasser, dem ein Schuss Essig zugesetzt wurde, gewässert, um überschüssiges Blut auszuwaschen. Das Stück trocknen, die Haut entfernen, salzen, pfeffern, leicht bemehlen und in Olivenöl auf beiden Seiten anbraten. In einem gusseisernen, von der Größe gerade passenden Topf in Olivenöl ein größere, fein gehackte Zwiebel leicht anbraten, vierzig Deka (netto) enthäutete, entkernte, gehackte Paradeiser zufügen, kurz andünsten, zwanzig Deka schöne, in Essig eingelegte, gewässerte Kapern und gehackten Petersil zufügen, die Sauce aufkochen, den Fisch einlegen und auf winzigster Flamme zugedeckt mindestens eineinhalb Stunden schmoren. Dagegen ist nicht das Geringste einzuwenden, sagt die Harrer, aber so viel Zeit hat sie nicht. Sie bereitet mit Zwiebeln, etwas Knoblauch, Kapern, ein paar schwarzen Oliven, frischen Paradeisern und den qualitativ besten Sardellen, alles gehackt, eh klar, mit Olivenöl und einem Schuss Weißwein ein Saucerl zu, in dem sie ihre Tunfischscheiben in Steakdicke grad so ziehen lässt, dass sie medium rare sind. Wenn der Tun unbedingt steakmäßig gebräunt sein soll, geht es auch extra. Dazu unsere klassischen Rosmarin-Erdäpfel, roh im Rohr gegart, leben sollen sie, die Kartäuser und ihr Kalb.

Nebbich Kalb, ein Roter Tunfisch ist bis zu viereinhalb Meter lang und wiegt 600 Kilogramm, eher kommen da der Weiße Tunfisch hin - bis zu ein Meter lang und 30 Kilo - und natürlich der Bonito, mit seinen 80 Zentimetern Länge. Der Tun ist ein Warmblütler, das und seine Stromlinienform machen ihn zum Hochleistungsschwimmer, unsere Mittelmeer-Tunfische etwa kommen aus den Meeren Nordeuropas durch die Meerenge von Gibraltar und ziehen nach dem Ablaichen wieder zurück in ihre Ursprungsgebiete.

Aber Tunfisch gibt es mehr oder weniger auf der ganzen Welt, auch so ein Schweinsbraten des Meeres, der sich jedoch der völligen Trivialisierung dadurch entzieht, dass die Zucht - im Gegensatz zu seinem unglücklichen Bruder, dem Lachs - noch nicht gelungen ist: Die Befruchtung der Eier und die Ernährung der jungen Larven sind noch nicht restlos erforscht. Tunfischfarmen auf offenem Meere gibt es aber schon: Doch die Bewohner werden als Junge gefangen und dann dort aufgezogen. Wie halt die Harrer im katholischen Internat, sagt die Fuchs, nur dass die internierten Tunfische im Gegensatz zu ihr Spitzenpreise erzielen.

Zur weiter gefassten Thematik des katholischen Internats gehört auch die Spezialität für die ganz ausgebufften Tunfischfreaks, nämlich "Latume", die gebratene Milch, sprich das Sperma der männlichen Tiere, natürlich noch ordentlich verpackt im Sack, äh, wie das zoologisch heißt, wissen wir jetzt nicht. Bei ordentlichen Exemplaren sprechen wir da schon von gut mannsellenlangen Ausmaßen, liest die Fuchs schwer beeindruckt aus einem gescheiten Buch vor, wobei die Assoziation mit der "Mannselle" ein Thema für sich wäre. Aber die Tatsache, dass jemand Fischsperma frisst, braucht Sie nicht weiter aufzuregen, wenn Sie Karpfenbeuschelsuppe verzehren, tun Sie's ja auch. Und aus den weiblichen Eiern wird die köstliche Bottarga gemacht, über die Pasta gerieben, herrlich. (Der Standard/rondo/Gudrun Harrer/Christa Fuchs /30/1/2003)