Zwischen dem Übergang von "nicht sehr laut" und "leise" kann eine Welt liegen: Cissy Kraner.
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Wien - "Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn" - mit diesem oder ähnlich launigen Zitaten wird Cissy Kraner zu ihren Feiertagen gerne gewürdigt. "Heute wünsch ich mir einfach Gesundheit", erklärte die Wiener Chansonette anlässlich ihres Neunzigers.

Gefährtin und Interpretin

Geboren wurde sie als Gisela Kraner am 13. Jänner 1918 in Wien. Von 1934 bis 1936 studierte sie Gesang, Schauspiel und Tanz am Konservatorium ihrer Heimatstadt und erhielt ihr erstes Engagement bei einer Kleinkunstbühne. Im Juni 1938, wenige Monate nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland, flog sie nach Südamerika, um dort bei einer Wiener Revue aufzutreten. Während des Gastspiels lernte sie den Kabarettisten Hugo Wiener kennen, den sie 1943 heiratete. Als man sie aus Caracas (Venezuela) heim zum "Reichsarbeitsdienst" beordern wollte, blieb sie bei ihrem Partner, der jüdischer Herkunft war. Die Ehe dauerte 50 Jahre bis zu Wieners Tod 1993.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach zahlreichen, auch künstlerischen Reisen innerhalb Südamerikas, kehrte das Paar nach Österreich zurück. Von 1950 bis 1965 war das Wiener Kabarett Simpl Cissy Kraners Stammbühne. Ihr Ehemann, dessen Chansons sie mit ihrer einzigartigen Interpretation berühmt machte, begleitete sie am Klavier.

Wiener ein Denkmal gesetzt

Engagements und Tourneen führten Kraner nach Hamburg, Bremen, Düsseldorf, München, Stuttgart, Berlin und Köln sowie nach Israel und in die Schweiz. Daneben trat die Kabarettistin im deutschsprachigen Fernsehen auf, wirkte in mehreren Filmen mit und spielte etliche Schallplatten ein. Unter dem Titel "Aber der Hugo ließ mich nicht verkommen" setzte Cissy Kraner 1994 in ihren von Georg Markus aufgezeichneten Erinnerungen ihrem "Lebensmenschen" Hugo Wiener ein Denkmal. Zugleich dokumentiert das Buch über 50 Chansons des KünstlerInnen-Gespanns Kraner-Wiener.

"Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn", "Der Nowak" oder "Der Vamp von Favoriten" sind nur einige der Ohrwürmer, die zum festen Bestandteil der Wiener Kabarettkultur wurden. Cissy Kraner habe begriffen, dass zwischen dem Übergang von "nicht sehr laut" und "leise" eine Welt liegen kann, sagte Hans Weigel über die einzigartige Sängerin.

Nicht in der Vergangenheit leben

Richtig still um sie geworden ist es nach einem Küchenunfall vor zwei Jahren. "Das war mein Schutzengel, der mir gesagt hat, jetzt sollst du aufhören", glaubt Kraner. Seither widmet sie sich "Rundreisen, wo ich Leute habe", erzählt sie, denn "das Alleinsein macht mir nichts, aber einsam sein ist schrecklich." Also pendelt sie zwischen dem Künstlerheim in Baden, ihrem Kloster-Kurhotel in Marienkron - "Ich bin eine leidenschaftliche Kneipperin"- und immer wieder auch ihrer alten Wiener Wohnung. "Dort hab ich aber zu viele Erinnerungen", sagt Kraner etwas wehmütig. "Ich will in der Zukunft leben und nicht in der Vergangenheit. (APA)