Rosa Longar: Gewaltopfer mehrheitlich Frauen.

Gewalt im sogenannten Privatbereich war lange Zeit ein Tabu, und es ist ein zentrales Ziel der Europaratskampagne "Stop der häuslichen Gewalt an Frauen", das Schweigen zu brechen und Opfer zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Genau darauf zielt die Kampagne der Bundesministerin für Frauen ab, denn es ist bekannt, dass viele Betroffenen nicht einmal wissen, wo sie sich mit ihrem Problem hinwenden können.

Faktum ist: Gewalt in der Familie kann jede Person betreffen, Forschung und Praxis zeigen jedoch, dass Frauen überdurchschnittlich oft Gewalt erleiden. Die Vereinten Nationen sprechen in ihrer jüngsten Studie zu dieser Frage von geschlechtsspezifischer Gewalt, die Frauen überproportional häufig betrifft, weil sie Frauen sind.

Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie erhält von der Polizei Interventionsberichte und unterstützt alle Opfer familiärer Gewalt, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft. Es ist jedoch kein Zufall, dass mehr als 90 Prozent der Opfer familiärer Gewalt weiblich und die Täter zu über 90 Prozent männlich sind. Dies hat mit den geschichtlichen und gesellschaftspolitischen Wurzeln des Problems zu tun - dem historisch gewachsenen ungleichen Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen und dem lange verbrieften Recht des Mannes, "seine" Frau zu "züchtigen".

Gewalt an Frauen muss daher im Kontext der Beendigung jeglicher Form von Diskriminierung gegenüber Frauen und der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern behandelt werden, so Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarates.

Eine Haltung, die Ursachen der Gewalt an Frauen verschleiert, das Problem relativiert oder aufrechnet, weil auch Männer Opfer von Gewalt werden, hilft im besten Fall nicht weiter und verhindert im schlimmsten Fall wirkungsvolle präventive Maßnahmen.

Kein Mann, der gewalttätiges Verhalten von Männern gegenüber Frauen ablehnt, wird eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen als Kampagne gegen Männer oder Väter interpretieren oder darin sogar, wie Gerhard Amendt, eine Diskriminierung von Männern sehen. Er wird diese vielmehr als notwendige Maßnahme gegen gewalttätiges Verhalten - nicht gegen Männer! - unterstützen.

Thomas Hammarberg stellt fest, dass Verhinderung von Gewalt an Frauen überall in Europa hohe Priorität haben sollte, lobt in seinem jüngsten Bericht zur Menschenrechtslage die Vorreiterrolle Österreichs in diesem Bereich und befürwortet weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Schutzangebote für die Opfer Die Anzeigenkampagne von Bundesministerin Doris Bures ist zweifellos eine weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung und sollte daher von allen Institutionen und Personen, Frauen wie Männern, unterstützt werden. (Rosa Logar/DER STANDARD, Printausgabe 09.01.2008)