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Nachdem „wir“ den Dow Jones einerseits in Richtung 120.000 steigen, andererseits bis zum Jahr 2018 in einen Baissemarkt verharren und damit wohl weiter drastisch fallen ließen, gibt der „Jahresabschluß“ 2002 erneut und ebenso Anlaß für Statistisch-Empirisches. Diesmal ist es der amerikanische Wirtschaftsprofessor Elroy Dimson sowie die Investmentgesellschaft Robeco, die sich der unendlichen Geschichte des Wettstreits zwischen den seit März 2000 arg gebeutelten Aktien und den vor allem heuer glänzend abschneidenden (Staats)Anleihen annahmen.

Die Geschichte spricht für Aktien...

Die Geschichte beweist, dass die Aktien die Anleihen langfristig übertreffen. In seinem Buch „Triumph of the Optimists“ gibt Dimson einen umfassenden Überblick über die Anlageergebnisse in verschiedenen Ländern. Die diesbezüglichen Grafiken „Aktien-Realerträge per anno“ und „Anleihen-Realerträge per anno“ (siehe unten) zeigen die realen Erträge für Aktien und festverzinsliche Wertpapiere. Die Realwerte beruhen auf den nominalen Zahlen, vermindert um die ebenfalls empirisch nachweisbare historische Durchschnittsinflation von 3 Prozent. Die Aktienperformance von sechzehn verschiedenen Ländern über den Zeitraum von 1900 bis 2000 zeigt die Überlegenheit der Aktien deutlich. Die Realerträge variieren zwischen 2,5 Prozent und 7,6 Prozent, im Durchschnitt betrug der Realertrag der Dividendenpapiere rund 5,1 Prozent pro Jahr.

Für die Obligationen wurde analog zu der Untersuchung der historischen Aktienrealrenditen von der Investmentgesellschaft Robeco eine Unterscheidung zwischen den Zeitabschnitten von 1900 und 1950 beziehungsweise zwischen 1950 und 2000 getroffen. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden die Erträge durch die zwei Weltkriege und die große Wirtschaftskrise massiv geschmälert. Doch auch in der zweiten Hälfte erzielten die Obligationen im Durchschnitt nur bescheidene 2,1 Prozent pro Jahr. Zudem zeigten die Aktien in dieser Periode in sämtlichen Ländern eine bessere Performance als Anleihen.

...und die Gegenwart für Anleihen...

Sicherheit war im zu ende gehenden Anlagejahr 2002 Trumpf. Nicht nur dass wider Erwarten Anleihen erneut Aktien schlugen, sondern die unter den Festverzinslichen oft als langweilig verrufenen Staatsanleihen schnitten noch dazu am besten ab. Erstmals seit 1941 schlugen Staatsanleihen das dritte Jahr in Folge Aktien. Diese büßten gemeinsam mit Unternehmensanleihen ein. Dennoch brachten auch Unternehmensanleihen positive Gesamterträge, einzig mit den riskanten Junkbonds gerieten Anleger in die Verlustzone.

Die sich weltweit schlechter als erhofft entwickelnde Konjunktur und die Bilanzskandale von Unternehmen bescherten den sicheren Staatsanleihen sowie (unverändert) auf Renten spezialisierten Fonds regen Zufluss. Dazu kommt die Angst vor einem Krieg gegen den Irak, die sich aktuell zusätzlich manifestierte und so noch einmal für einen kräftigen Schub der Anleihekurse nach oben sorgte.

Dementsprechend sank die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die als Benchmark für die Euro-Zone gilt, wieder an ihr Jahrestief von weniger als 4,30 Prozent. Noch beeindruckender war die Entwicklung der amerikanischen Staatsanleihen. Die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen Staatsanleihe sank zuletzt auf 3,57 Prozent, dem tiefsten Stand seit 1958. Darüber hinaus ist auch aus dem historischen Kontext die Überlegenheit der Aktie – wie immer – eine relative Angelegenheit, sprich – wie immer – liegt die Schönheit in den Augen des Beschauers, vulgo es hängt vom Zeitpunkt des Einstiegs respektive des Anlagehorizonts ab.

...und die Zukunft?

Trotz der schwachen Börsenentwicklung in den bald letzten drei Jahren gibt es (noch) keinen nachhaltigen Anlass anzunehmen, daß wir mit einer anhaltenden Baisse zu leben hätten. Dementsprechend kann man durchaus wiederum davon ausgehen, daß Aktien-Anlagen erneut einen jährlichen Realertrag von durchschnittlich 5 oder nominal 8 Prozent – und damit in dreißig Jahren einen durchaus nicht unrealistischen Dow Jones-Stand von 120.000 – abwerfen werden. Allerdings sind Dividendenpapiere, wie allgemein und vor allem aus den letzten drei Jahren schmerzlich bekannt, kurzfristig stärker mit Risiken (= Volatilitäten) behaftet als Obligationen. Die Grafik "Die größten Aktienbaissen" illustriert dies mit dem Ausmaß der Kursverluste in den schlimmsten Baisseperioden im vergangenen Jahrhundert.

Diese Zahlen machen deutlich, dass Aktienanlagen geradezu charakterisiert sind durch erhebliche kurzfristige und zeitweilig auch mittelfristig hohe Kursschwankungen. Das beste Beispiel zu dieser Feststellung bildet gegenwärtig der japanische Aktienmarkt, und wehe der drohende Irak-Feldzug mündet in eine ausgemachte Rezession à la 1973/74. Dann ist nicht nur erstmals seit der Periode 1929 – 33 ein viertes Minusjahr an den Aktienbörsen wahrscheinlich, sondern durchaus auch international japanische Verhältnisse – deren Baisse dauert mittlerweile dreizehn Jahre an, und 2002 plus zehn ergibt bereits 2012....

Durchschnittliche Anleihen-Realerträge per anno in Prozent

Land

1900 - 1950 1950 - 2000
Belgien -3,9 2,8
Italien -6,2 1,9
Deutschland -8,2 3,8
Spanien 1,8 1,2
Frankreich -6,2 4,3
Japan 1,7 3,0
Schweden 3,4 1,8
Irland 1,0 1,9
Schweiz 3,8 1,9
Großbritannien 0,9 1,6
Niederlande 1,1 0,9
Kanada 1,3 2,3
USA 1,6 1,9
Südafrika 2,3 0,2
Australien 2,1 0,1

Durchschnittliche Aktien-Realerträge per anno in Prozent

Land Schlechteste Dekade 1900 - 2000 Beste Dekade
Belgien -9,7 2,5 16,6
Italien -11,8 3,1 19,9
Deutschland -12,3 3,6 23,8
Spanien -15,5 3,6 19,1
Frankreich -8,1 3,8 17,9
Japan -25,7 4,5 27,5
Schweden -1,8 7,6 22,2
Irland -5,6 5,0 13,6
Schweiz -9,4 5,1 14,4
Großbritannien -0,8 5,3 16,3
Niederlande -1,2 5,4 18,2
Kanada 0,2 6,5 17,5
USA -2,1 6,8 17,8
Südafrika 0,4 7,1 14,7
Australien -4,4 7,4 18,1

Nachlese

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--> "Baissemarkt bis 2018"
--> Eine schöne Bescherung
--> Von Analys(t)en und Abhängigkeiten
--> Börsen vor "Happy Wende"
--> Wenn der Zauber nicht wirkt
--> Contrariens unter der Lupe
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--> Zum Verkaufen zu spät, zum Kaufen zu früh
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