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Palo Alto - Für zwei Millionen bekommt man im kalifornischen Atherton in Silicon Valley gerade ein schmuckes Einfamilienhaus mit Garten. Für die gleiche Summe lässt sich in Pacific Heights von San Francisco eine Vierzimmerwohnung erstehen. Kein Wunder also, dass die jüngste Immobilienanzeige für das kalifornische Amboy auf den ersten Blick ein Schnäppchen verspricht. Dort steht für 1,9 Mio. Dollar ein ganzes Dorf zum Verkauf.

Ein Minidorf wohlgemerkt, mit der "staubigsten und rustikalsten Tankstelle auf der Route 66", so die Werbung. Doch bei genauerem Hinsehen behalten die Immobilienmakler Recht, die ihren Kunden das Gebot "Location, Location, Location" bis zum Abwinken einbläuen. Amboy lässt in der Tat zu wünschen übrig. Der Standort ist meilenweit entfernt von jeder anderen Stadt - drei Stunden von Los Angeles, an der einst viel befahrenen Route 66. Mit den modernen Highways wurde die zweispurige Strecke, die Chikago und Los Angeles verband, in den 60er-Jahre bedeutungslos. Heute sind 15 Prozent der legendären Route, auf der nach dem Zweiten Weltkrieg Zehntausende nach Kalifornien auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben pilgerten, unbefahrbar.

Touristische Neugier

Allein touristische Neugier hält die 3800 Kilometer lange Strecke mehr schlecht als recht am Leben. Das Route-66-Festival in Springfield im Bundesstaat Illinois lockt immerhin alljährlich Zehntausende an. Die Moderne überlebt hat auch Amboy, das neben der Tankstelle ein Café, Motel, Kirche, einen kleinen Flugplatz, eine Post sowie ein halbes Dutzend Häuser vorweisen kann. Die Einwohnerzahl liegt zwischen zehn und zwanzig, je nachdem, wer zählt. Am urigsten ist Roy's Diner, ein Restaurant im Stil der 50er-Jahre, das auf seiner Website (www.rt66roys.com) nicht nur Rezepte für einen doppelten Cheeseburger anpreist, sondern auch kräftig Werbung für das Örtchen macht.

Denn Ziel von Amboys Besitzer ist, das Dorf als Standort für Video- und Filmproduktionen zu vermarkten. Tim White und Walt Wilson kauften den Ort vor sieben Jahren und wollten ihn an Hollywood-Studios und Fotografen vermieten. Denn, so ihr Konzept, bei Amboy handle es sich um "the real thing" - weder restauriert noch modernisiert und schon gar nicht mit Schnellimbissen à la McDonald's verschandelt. Dieses Konzept ging jedoch nicht auf, und die Eigentümer wollen ihre Koffer packen. "Das Ganze war ein sentimentaler Kauf, aber wir können kein Geld damit verdienen", meint White, ein Fotograf. Ob sich so schnell ein Käufer findet, steht in den Sternen. Denn Amboy liegt im Nichts, und das bei Temperaturen, die im Sommer auf 50 Grad klettern. Außerdem muss einmal die Woche 40.000 bis 60.000 Liter Wasser entladen und in den Wasserturm gepumpt werden, denn sonst sitzt der Ort auf dem Trockenen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 23.12.2002)