Ein Bild wie aus den 30er-Jahren: Ein arbeitsloser Programmierer steht mit einem Schild vor dem Parlament.

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Nein, direkt gesagt hat man es ihm beim Vorstellungsgespräch nicht: "Aber ich habe deutlich gespürt, die suchen jemand Jüngeren und Billigeren." Und natürlich, seufzt Hannes Meinhardt, sei es auch mit diesem Job nichts geworden: Er ist 54 Jahre alt und "weiß, dass ich zu alt bin". Für seinen erlernten Beruf, Schlosser, ist der Wiener schon länger zu alt. Zuletzt hat er von Tür zu Tür Versicherungen verkauft, im Mai war auch das vorbei und Meinhardt arbeitslos. Nun lässt er sich vom Arbeitsmarktservice (AMS) zum EDV-Trainer umschulen: "Dafür soll ein Markt da sein, sagt das AMS. Ich werde im Jänner sehen, wie die Realität ausschaut." Immerhin, da wäre er selbstständig und nicht auf Vorstellungsgespräche angewiesen.

Wie Herrn Meinhardt geht es vielen: Mehr als 20 Prozent der Arbeitslosen sind älter als 50. Und ältere Arbeitslose brauchen wesentlich länger, einen neuen Job zu finden: Durchschnittlich sind sie 384 Tage ohne Arbeit - Menschen im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 49 "nur" 130 Tage. Daher sagt Robert Löffler, Arbeitsmarktexperte der Forschungsgesellschaft Synthesis: "Die Hauptsorge älterer Arbeitsloser ist, wieder in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Schrumpfende Betriebe bauen in der Stagnationsphase ältere Teurere ab."

Ältere entsorgt

"Kulturelle Gewohnheit" nennt Christoph Badelt, Professor für Sozialpolitik und Rektor der Wiener Wirtschaftsuni, den langjährigen österreichischen Usus, ältere Arbeitnehmer zu entsorgen: "Das erzeugt eine Stimmung, in der es völlig selbstverständlich ist, sich von älteren Leuten zu trennen." Gerade im öffentlichen und paraöffentlichen Bereich wurden jahrzehntelang Beschäftigungsprobleme dadurch zum Schein gelöst, dass Menschen in Frühpension geschickt wurden, der private Sektor habe das gern nach gemacht. Mit deutlichen Auswirkungen, meint Badelt: "Bei uns arbeiten viel weniger Menschen in den höheren Alterskohorten als anderswo. Und ich glaube nicht, dass die Österreicher grundsätzlich kränker sind als die Bewohner anderer Industriestaaten."

Frühpensionsmeister

Faktum ist: Die Österreicher arbeiten kürzer. Im EU-Schnitt sind 50 Prozent der Menschen über 55 erwerbstätig - in Österreicher nur 40 Prozent. Und aus der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen arbeiten im EU-Schnitt 23, in Österreich aber nur elf Prozent. Österreich ist damit meilenweit vom am EU-Gipfel in Stockholm formulierten Ziel, dass die Hälfte der 55- bis 64-Jährigen arbeiten soll, entfernt. Einen Spitzenplatz erreicht Österreich nur in einer ganz anderen Kategorie - als "Frühpensionsweltmeister".

Über die Gründe dafür sind sich Experten einig: Die Frühpension lohnt sich zu sehr, Ältere sind zu teuer. Über Maßnahmen dagegen herrscht weniger Einigkeit: Die Wirtschaft pocht auf Senkung der Lohnnebenkosten für Ältere. Die Arbeitsmarktexpertin des Wifo, Gudrun Biffl, plädiert dafür, die Lohnnebenkostensenkung für Ältere nicht als Gießkanne zu bringen, sondern auf schlecht Qualifizierte zu fokussieren: "Dort haben wir das Hauptproblem." Die Verlängerung der Altersteilzeit befürwortet sie, wenn sie nicht wie jetzt als "Frühpensionierungsinstrument" genutzt wird. Dafür könnte die verpflichtende Einstellung von Ersatzkräften für Altersteilzeitler eingeführt werden.

"Pest oder Cholera"

Eine Verschärfung des Kündigungsschutzes für Ältere wird abgelehnt - als zusätzliche Barriere, Ältere einzustellen. Als erfolgreich gilt unter Experten die "Eingliederungsbeihilfe" für Arbeitslose ab 45 Jahren: Arbeitgeber bekommen das Bruttogehalt und die Nebenkosten für Ältere für zwei Jahre zu maximal 66 Prozent vom AMS subventioniert.

Wobei Maßnahmen, Ältere länger im Erwerbsleben zu halten, wie der Plan der Pensionskommission, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, unerwünschte Effekte haben können, wie Badelt warnt: "Arbeitsmarkt und Pensionssystem sind kommunizierende Gefäße. Die noch niedrigen Arbeitslosenraten Österreichs sind teils durch die niedrige Erwerbsquote im Alter erklärt. Daher kann eine Erhöhung des Pensionsalters die Arbeitslosigkeit von den Älteren zu den Jüngeren schieben. Höhere Altersarbeitslosigkeit oder höhere Jugendarbeitslosigkeit - eine Wahl zwischen Pest oder Cholera." (Michael Bachner, Eva Linsinger, DER STANDARD, Printausgabe 18.12.2002)