Auf Brückentragwerke zu klettern war bislang das Monopol des Wartungspersonals. Seit dem 1. Oktober 1998 ist das zumindest in Sydney anders. An diesem Tag wurde die Idee eines gewissen Paul Cave Realität, die Tragkonstruktion jenes Bauwerks, das Sydney Harbour überspannt, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und damit wurde eines der witzigsten und fantasievollsten Stadtabenteuer geboren, in das man sich als Tourist "down under" begeben kann.

Foto: BridgeClimb Sydney

2001 wurde Paul Cave dann Unternehmer des Jahres, brachte diese Idee der australischen Metropole doch eine völlig neue Attraktion und damit sehr viel Geld. Immerhin haben schon mehr als 600.000 Menschen das außergewöhnliche Vergnügen genossen, auf die Brücke zu gehen.

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Die 70 Jahre alte Harbour-Bridge, der "Kleiderbügel", wie er in Sydney genannt wird, ist wie geschaffen für eine derartige Unternehmung. Das Bild, das die Brücke gemeinsam mit der Sydney Opera abgibt, gehört ohne Zweifel zu den Top Ten der Stadtpanoramen weltweit. Mit den 502 Metern Spannweite ihrer aus englischem Stahl angefertigten Bogenkonstruktion ist sie ein Beweis dafür, welche Ästhetik von 53.000 Tonnen Stahl ausgehen kann.

Foto: BridgeClimb Sydney

Gruppen von zirka zehn Personen in einem Abstand von wenigen Minuten in und über die Tragkonstruktion der Brücke zu führen, erlaubt nicht den geringsten Fehler - immerhin wird diese täglich von mehr als 200.000 Fahrzeugen frequentiert. Und das bringt zwangsweise die einzige Enttäuschung für den Fotografiebegeisterten mit sich: Die Kamera kommt nicht auf die Brücke mit, genauso wenig wie die Armbanduhr oder der Haarreif. Jeder noch so kleine Gegenstand, der auf die dicht befahrene Straße fällt, könnte eine Katastrophe auslösen.

Foto: BridgeClimb Sydney

Weder Brille noch Sonnenkappe, mit dem bereitgestellten Overall untrennbar verbunden wie der Geldkoffer eines Boten mit seinem Träger, können den Weg in die Tiefe antreten. Auch der Stadtabenteurer selbst kann nicht verloren gehen. Mit einem speziellen Geschirr wird er in ein Stahlseil eingeklinkt, das gleichzeitig den Brückenpfad vorgibt. Über ein - ebenfalls gut gesichertes - Funkgerät mit Kopfhörer ist der Brückenbesteiger permanent mit der Führerin oder dem Führer verbunden.

Foto: BridgeClimb Sydney

So erfährt man bei jedem der vielen Stopps Wissenswertes über die Brücke und über Sydney und erhält kompetente Antworten auf die vielen Fragen, die sich auf dem Weg zu dem 134 Meter hoch gelegenen Scheitelpunkt des Brückenbogens ergeben. Der höchste Punkt dieser Wanderung beschert einem nicht nur einen überwältigenden Blick auf Sydney Harbour, die Oper und die Stadt, sondern ein ganz spezielles Gefühl. Und dieses Gefühl heißt definitiv nicht Höhenangst!

Foto: BridgeClimb Sydney

Die Breite der Konstruktion und die Sicherungsmaßnahmen lassen einem keine Chance, sich einer eventuell vorhandenen Phobie hinzugeben. Eine leichte Beklemmung löst höchstens der Preis aus, der den zahlreichen Erklimmwilligen für das dreieinhalbstündige Stadtabenteuer abverlangt wird: immerhin rund 70 Euro. (Der Standard/
rondo/13/12/2002)

Info
Bridge Climb Sydney, 5 Cumberland Street, The Rocks, Sydney, Fax: +61-2-9240 1122 www.bridgeclimb.com
Täglich, bei jedem Wetter, Preis: AUD 125 (rund € 70) Dayclimb, AUD 150 (rund € 84) Nightclimb. Im Sommer sind Climbs ab 5.15 Uhr früh möglich, im Winter ab 8.00 früh.

Foto: BridgeClimb Sydney