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Nach monatelangen Diskussionen um die Sexskandale im Bereich der US-Erzdiözese Boston nahm Papst Johammes Paul II. am Freitag in Rom das Rücktrittsgesuch von Erzbischof Bernard Law an

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Demonstrant vor dem Wohnhaus Kardinal Laws

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Nach Hunderten Fällen von sexueller Gewalt gegen Kinder im US-Erzbistum Boston ist dessen Leiter Kardinal Bernard Law am Freitag zurückgetreten. Der Papst beauftragte Bischof Richard Lennon, die Diözese bis auf weiteres zu leiten.
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Vatikan/Boston/Wien - US-Kirchenexperten hatten diesen Rücktritt schon erwartet, da Kardinal Bernard Law am Mittwoch überraschend zu einer Besprechung mit dem Papst nach Rom abgereist war. Grund zur Eile soll laut Berichten der Tageszeitung Boston Herald die Vorladung einer US-Anklagekammer gewesen sein, die Law kurz vor seiner Abreise zugestellt wurde. Die Justiz wolle klären, ob Law gegen geltende US-Gesetze verstoßen habe, indem er Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester in seiner Diözese den Polizeibehörden verschwieg. Zunehmender Druck Der Druck auf den 71-jährigen Erzbischof Richard Law war in den vergangenen Wochen immer größer geworden: Seit Monaten tauchen immer mehr Fälle auf, in denen US-Bürger mehrere Priester der Diözese Boston anklagten, ihnen in ihrer Jugend sexuelle Gewalt angetan zu haben. Bischof Laws schwere Verfehlung dabei: Unter seiner inzwischen 18 Jahre dauernden Führung der Diözese wurden schuldig gewordene Priester ohne weitere Konsequenzen in andere Gemeinden versetzt und auf diese Weise gedeckt. Law selbst hatte im November während einer Messe in der Bostoner Kathedrale seine Verantwortung für diese Entscheidungen eingeräumt. Einen Rücktritt lehnte er aber trotz vehementer Forderungen beharrlich ab. Wie der Vatikan am Freitag mitteilte, bot diesmal Law dem Heiligen Vater seinen Rücktritt an, Papst Johannes Paul habe dieses Angebot angenommen. Weiters bestimmte der Pontifex zur vorübergehenden Leitung der Erzdiözese, der mehr als 1,2 Millionen Katholiken angehören, Kardinal Richard Lennon, den Leiter eines Priesterseminars in Brighton (Colorado). Als mögliche definitive Nachfolger von Law gelten unter anderem Erzbischof Harry J. Flynn von der Erzdiözese Saint Pauls und Minneapolis und Bischof Wilton Gregory aus Belleville (Illinois), der Präsident der US-Bischofskonferenz. Law bleibt Kardinal Beim Fall Law handelt es sich um den bisher ranghöchsten Geistlichen der katholischen Kirche in den USA, der wegen der Sex-Skandale aus dem Amt scheiden musste. Kirchenexperten wiesen darauf hin, dass Law ungeachtet seines Rückzugs aus der Führung seiner Diözese weiterhin Kardinal bleib. Er darf damit auch bei einer Papstwahl mitstimmen. Der Rücktritt des Kirchenmanns geschah nicht zuletzt im Zusammenhang mit einem Aufruf von 58 US-Geistlichen. "Die Priester und Menschen in Boston haben das Vertrauen in Sie als geistlichen Führer ver-loren", heißt es in einem öffentlichen Schreiben an Law. Seit dem Bekanntwerden der ersten Vorfälle fürchten Zehntausende von Eltern um das Wohl ihrer Kinder in der Kirche. Die Diözese Boston steht wegen Forderungen nach Schadensersatz und fehlender Spenden kurz vor dem Konkursantrag. Law selbst sagte am Freitag in Rom: "Ich bin sehr dankbar, dass der Heilige Vater meinen Rücktritt als Erzbischof angenommen hat." Der Exbischof entschuldigte sich noch einmal bei den Betroffenen für seine "Schwächen und Fehler". Darüber, was er in Zukunft tun werde, gab er keine Auskunft, aber setzte seiner Entschuldigung hinzu: "Die besonderen Umstände empfehlen einen stillen Abgang. Bitte behalten Sie mich in Ihrem Gebet." (AP, kps/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.12.2002)