aus dem Buch

Billig sind ja Hotels eigentlich nie. Für eine Nacht Schlafen etwas zu zahlen ist - wie eine überteuerte Taxirechnung - im Prinzip "rausgeschmissenes Geld": Man könnte ja auch zu Fuß gehen, im Zelt übernachten oder daheim bleiben. Schon bei der leichtesten Diskrepanz zwischen dem Preis und der dafür gebotenen Leistung fühlen wir uns geneppt.

Daisann McLane, Reisejournalistin und Fotografin für die New York Times, legt ihren Fotoband "Cheap Hotels" daher nicht als serviceorientierten Reiseführer für Gästehäuser mit exzellentem Preis-Leistungsverhältnis an. Wie die Dollar-Preisliste gleich zu Beginn des Buches verrät, sind die Zimmer in den von ihr besuchten Häusern gemessen am Einkommen der Einheimischen nur in den seltensten Fällen ein Schnäppchen. Vielmehr zeigt "Cheap Hotels" einen fotografischen Querschnitt des Einrichtungsgeschmacks der Betreiber von Mittelklasse-Hotels von Berlin bis Bali.

In einem britischen Frühstücksraum etwa trifft eine froschgrüne, in sich blumig gemusterte Tapete auf geradlinige, knallgelbe Klappstühle. In einem Doppelzimmer in San Francisco vereinen sich die Raumfarben Rostrot, Rostbraun, Moosgrün, Orange und Dottergelb in fröhlichem Streif auf dem Bettüberwurf. In Madrid versteht man unter "Doppelzimmer mit Dusche" eine direkt neben dem Bett eingesetzte Duschkabine, die ihrerseits den Weg zur Waschmuschel versperrt, und in Big Pine Key kommt die Atmosphäre des Ferienparadieses Florida direkt ins Schlafzimmer in Form einer Bettdecke, auf der die Sonne am Strand mit Palmen nie untergeht.

McLane nennt auch Hotels, in denen sie sich "sehr wohl fühlte". Zum Beispiel ein kleines Zimmer auf den Kanarischen Inseln, wo sie vom Fenster aus den Vulkan bewundern konnte, oder ein Gästehaus in Panama, wo ein tropischer Regen sanft auf das Wellblechdach prasselte. Hotelglück entsteht also immer im Auge des Betrachters. (east/Der Standard/rondo/13/12/2002)