Wehe, wenn dieser Mann wild wird! Tadanobu Asano in Sogo Ishiis Real-Manga "Electric Dragon 80.000 Volt"

Foto: Polyfilm
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Gegenspieler Thunderbolt Buddha (Masatoshi Nagase)

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Ein Superheld steht immer unter Strom: In "Electric Dragon 80.000 Volt" begeistert der japanische Regisseur Sogo Ishii mit einem punkigen Heroen im Kampf mit seinem inneren Drachen.


Wien - Wer ein richtiger Superheld werden will, der braucht ein Schlüsselerlebnis: Dragon Eye Morrison (Tadanobu Asano) erhält als Knabe bei verbotenen Kletterübungen auf einem Hochspannungsmast einen Stromschlag. Das erweckt seinen inneren Drachen und beschert ihm fortan ein zärtliches Naheverhältnis zu Reptilien - als Pet Detective und Lizard King streift Dragon Eye in seinem Lederanzug durch die Nischen und Ritzen der Stadt.

Zum anderen wird der einsame Held allerdings auch von irrer Wut geplagt. Nachdem alle Therapieversuche mit Elektroschocks nicht fruchten, bleibt als einziges Mittel, um diese Entladungen halbwegs zu kanalisieren, nur intensives Stromgitarrespiel: Allein bei wilden Metal-Punk-Industrial-Sitzungen findet der Held seinen Frieden.

Mit Electric Dragon 80.000 Volt hat der 45-jährige Japaner Sogo Ishii, der Mitte der 80er-Jahre mit seiner schön destruktiven Komödie Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb bekannt wurde, also eine Art Superheldencomic gedreht. Der Film funktioniert weitgehend wortlos, als musikalische Bildergeschichte, als Real-Life-Manga.

Der Höhepunkt, auf den die kurze Erzählung zusteuert - Electric Dragon dauert gerade mal eine Stunde -, ist der Showdown zwischen Dragon Eye und seinem Gegenspieler Thunderbolt Buddha (Masatoshi Nagase). Letzterer, der Herr über alle Wellenlängen, wurde als Kind vom Blitz getroffen und lauert nun, das Ohr immer am Singen der Telefonleitungen der Stadt, auf seinen ebenbürtigen Herausforderer. Das Meucheln von Echsen und das heimtückische Zersägen der Gitarre erfüllen schließlich den entsprechenden Zweck ...

Electric Dragon 80.000 Volt ist ein ziemlich witziger, trotziger Film, der mit sparsamen visuellen Effekten Wirkung erzielt. Ishii hat ihn vor zwei Jahren parallel zu einem ganz anders gelagerten Projekt gedreht, dem relativ groß budgetierten Historienfilm Gojoe, der Bearbeitung einer mittelalterlichen Sage. Auch darin spielten Eidechsen und Gewitter eine nicht unerhebliche Rolle. Mit Electric Dragon versetzte der Regisseur diese archaischen Motive in ein quasi zukunftsorientiertes Genre.

Sciencefiction ist allerdings eine Frage der Perspektive; quasi-dokumentarische Aufnahmen von Tokio werden durch die Story umgewidmet zum Hintergrund elementarer Auseinandersetzungen: Zwischen High- und Lowtech, den Feinheiten der Elektroakustik und dem wuchtigen Klang der E-Gitarre - angeschlagen im "Dragon Fist Fighting Style". (DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2002)