Die Afro-Amerikanerin Kara Walker hält nach Zeichen ihrer selbst Ausschau ...

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... und stößt dabei allerorts auf rassistische und sexistische Motive.

Camptown Ladies (Detail), 1998 (Courtesy Brent Sikkema, NYC)

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Wien - Früher einmal trugen viele Künstler stets eine kleine Schere bei sich, um allzeit schnittbereit zu sein: Hans Christian Andersen etwa, oder auch Philipp Otto Runge. Sie waren die Speerspitze des bürgerlichen Lagers, das zum Zeitvertreib Scherenschnitte anfertigte, hübsche Porträts im Profil, nette Muster und Ornamente.

Die meisten davon noch erhaltenen Arbeiten sind weder signiert noch datiert. Der Scherenschnitt entwuchs der Kunstfertigkeit des anonymen Dilettanten. Kara Walker, 1969 geborene Afroamerikanerin, nutzt diese schwarz/ weiß-Technik um die Allgegenwart des Rassismus anzuprangern. Ihr brandabweisender Pausenfüller riss 1998 das Wiener Opernpublikum aus seinen, an Rudolf Eisenmengers Eisernem Vorhang erworbenen Sehgewohnheiten. Jahrhunderte des Wohlbehagens am dramatisierten Exotismus rächten sich an den Freunden abendländischen Kulturgenusses. Walker ließ Europas böse Geister tanzen, Orpheus, Eurydike und auch den Meinl-Mohren.

Sie warte, betont sie ihre Wachsamkeit, jederzeit "gespannt auf den unabsichtlichen Affront, die rassistische Bemerkung." Und findet denn auch Material genug, Stereotypen an allen Ecken und Enden. Ihre 27-teilige Siebdruckfolge "The Emancipation Approximation" steht im Mittelpunkt der Kara-Walker-Personale mit Arbeiten aus der Sammlung der Deutschen Bank, die derzeit im Wiener Museum Moderner Kunst Station macht.

Oft grotesk überhöht, ironisiert, bzw. recht plakativ reduziert, führt sie in Panoramen vor, dass längst nicht alles eingelöst wurde, was Abraham Lincoln mit der "Emancipation Proclamation" von 1863 ausrufen ließ. Von Gleichberechtigung keine Rede. Immer noch sorgt die angeblich so animalische Sexualität der schwarzen Frau ungestraft für feuchte Träume weißer Männer, besteigt der weiße Schwan listenreich und geifernd die schwarze Frau. Und der "fröhliche Neger" bläst dazu weiter munter in sein Saxophon. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2002)