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Eine Vorstellung vom Paradies im Jahr 2002: Am Strand der Karibikinsel Mustique sitze gebräunte, leicht trainierte junge Menschen. Designer Tommy Hilfiger verbringt viel Zeit auf der Insel und hat für kommenden Sommer einfach die Kinder aus der Nachbarschaft gefragt, ob sie Lust haben, für ihn zu modeln. Diese Kinder tragen die Namen Lauren Bush, Nichte des US-Präsidenten, Elizabeth Jagger, Tochter von Mick Jagger, Jake Sumner, Sohn von Sting, Alexandra und Theodora, Töchter von Keith Richards. Sie gehören zu den Sprösslingen aus berühmten Glamourhaushalten, die dabei sind, ihre Kinderzimmer zugunsten der Öffentlichkeit zu verlassen.

In letzter Zeit wendet sich die Entertainmentbranche ohnehin lieber den Kindern statt den Eltern zu. In den Klatschspalten lesen wir von Kate Hudson statt Goldie Hawn, von Charlotte statt von Caroline von Monaco, von Ivanka statt von Ivana Trump. Wir lesen von ihren ersten Modelversuchen, von ihren ersten Filmerfolgen und ihren Laufstegeinsätzen, wie aufgeregt sie waren, wie sehr Mama oder Papa sie unterstützt haben. Die Werbe- und Modeindustrie zieht gleich hinterher. Modelagenturen wie Ford gründen eigene Abteilungen für sie, Supermarken wie GAP nehmen zwecks Jeanspromotion hübsche Töchter wie Kate Hudson oder Liv Tyler unter Vertrag, die Schweden H & M und die Firma Lancôme schnappten sich frühzeitig Elizabeth Jagger, selbst ihre ältere Schwester Jade Jagger modelte mit.

Die Strategie scheint einfach. Der Name der Kinder klebt in Sekunden an allem. An den Kleidern, an der Marke und bestenfalls auch am Konsumenten, die simple Weltberühmtheit des Nachnamens ist blitzschnell erkannt. "Je prominenter der Name, desto schneller wird man auf Anzeigen aufmerksam und merkt sie sich. Andere Models sehen sicher gut aus, aber die merkt man sich eben nur schwer", erklärt PR-Fachfrau und Ruhmexpertin Alexandra von Rehlingen.

Die Ruhmverwertung der Kinder bleibt bei den Anzeigen aber nicht stehen, sie ist ausbaufähig. "Für unsere Firma, die berühmte Kinder als Anzeigenmodelle nimmt, ist das zusätzlich eine sehr gute Verbindung zum Filmgeschäft in Hollywood", so Andy Hilfiger, PR-Chef von Tommy Hilfiger. Der Vorteil: Sollte jemand von den schönen Nachkommen eine Filmkarriere wünschen, garantiert schon der Name hohe Aufmerksamkeit.

Doch die jungen Werbemodelle haben gegenüber ihren Eltern außer Jugend noch andere Vorteile. Diese sind über Jahrzehnte bekannt, sind durch schon geschriebene Biografien fast geheimnislos, doch die Kinder schüren die Fantasie auf ganz neue Weise. Was haben sie wohl mit ihren Eltern erlebt? Wie war es bei den Jaggers oder den Richards beim Frühstück? Gibt es in Rockhaushalten überhaupt Frühstück? "Jeder möchte gerne wissen, was diese Kinder so machen und wer sie sind", bestätigt Andy Hilfiger das Interesse an Familiengeheimnissen.

Die reine Neugier auf Anekdoten beim Abendessen, der berühmte Name ist aber noch nicht das wirklich Raffinierte an der Werbestrategie mit den berühmten Kindern. Eltern wie Mick Jagger oder Jerry Hall, die in ihrer Jugend relativ wenig ausgelassen haben, übertragen zwar den Rockstar- oder den Model-Glamour auf ihr Kind, doch das Kind ist weder selbst an der Einnahme von Substanzen interessiert, noch musste es wirklich unter drogensüchtigen Eltern leiden. Somit ist es für die Werbeindustrie berechenbar, also ideal.

Dass dieser Punkt sehr ernst genommen wird, bestätigt man in der Marketingabteilung bei H & M. "Alle Leute, die wir in unserer Werbung zeigen, müssen gesund und wohlauf sein. Alkohol und Drogen werden von uns nicht gutgeheißen." Die Modelagenturen müssen auch bei berühmten Kindern garantieren, nur Leute ohne Essstörung und Drogenprobleme vorbeizuschicken.

In der Auswahl der Starkinder auf Anzeigen scheint sich das zu bestätigen. Kate Hudson, Model für GAP und Hilfiger, erfolgreiche Schauspielerin, hat das Gesicht eines Engelchens, das von Mutter Goldie Hawn scheinbar nie ein böses Wort hörte. Ivanka Trump hat ihre Mutter Ivana an ihrer Seite, die sie sehr bewundert. Beste Beispiele aber sind Elizabeth Jagger und Lauren Bush. Wie ein Wilder wehrte sich Mick Jagger gegen die Modelpläne seiner Tochter. Für seine Kinder wollte er Sicherheit und eine gute Ausbildung statt ein frühes Rock-'n'-Roll-Leben.

Trotz der spießigen Anwandlungen des Vaters begann Elizabeth mit Unterstützung ihrer schönen Mutter mit 15 ihre Modelkarriere. Sie ist als Anzeigenmodell extrem erfolgreich, bleibt aber ein netter Teenager. "Ich bin langweilig, nicht glamourös. Die Leute hören gern krasse Geschichten über mich, dass ich mich betrinke oder so. Sie wollen nicht wissen, dass ich nett bin, viel lese und male, mich mit dem Discovery Channel und Günther Grass weiterbilde", erzählt sie.

Auch George W.s Nichte Lauren Bush, in allen führenden Hochglanzprodukten vertreten, wurde bei ihren ersten Modeleinsätzen von ihrer Mutter begleitet. So scheint Lauren mit 18 gegen alles Mögliche gewappnet, drückt sich schon in bester Diplomatensprache aus. "Beim Modeln habe ich all das Schlechte gesehen, ohne das Schlechte selbst erfahren zu müssen." Sie führt bereits das Leben einer perfekten Socialite aus bestem Haus, engagiert sich für Kinderheime, für Tierschutz und besucht in Dior-Kleidern Bälle im Pariser Hôtel Crillon.

Für Ausfälle ins extreme Amüsement, für die die gleichaltrigen Hilton-Schwestern Nicky und Paris bekannt sind, bleibt ihr gar keine Zeit. Ihr tadelloses Image, ihre frühe Eleganz lässt Gesellschaftsexperten schon jetzt an Jacky Kennedy denken. Und dass eine Bush für die amerikanischsten unter den Marken quasi auch gleich für die USA mitwirbt, kann ja nicht schaden: Lauren Bush ist fester Bestandteil der Tommy-Hilfiger- und Abercrombie-&-Fitch-Kampagnen.

Beide Marken zeigen nur die Kinder, die aussehen wie Prachtexemplare. Denn nicht alle Starkinder hatten den nötigen Schutz. Rod Stewarts Tochter Kimberly, mittlerweile ebenfalls Fotomodell, erinnert sich daran, wie sie sich in der Schule mit Mitschülern prügelte, weil diese die engen Leopardenhosen ihres Vater saukomisch fanden. Doch damit nicht genug. Rod Stewart versuchte, seine Tochter schon sehr früh zu ähnlich engen Hosen zu überreden.

Bijou Philipps, deren Papa bei den berühmten "The Mamas und the Papas" sang, ist heute nach mehrmaligem Entzug clean, modelt für New Yorker Avantgarde-Marken wie "Imitation of Christ", spielt erfolgreich in Larry-Clark-Filmen mit. Sie und ihre Schwester McKenzie lernten zu Hause andere Dinge: wie man Morgen-Joints dreht und wie man Kokain intravenös am besten zu sich nimmt. Viele dieser Kinder, wie Bob Dylans Sohn Jacob, Steven Tylers Tochter Liv, Donovans Sohn Donovan Leitch distanzieren sich heute vom harten Glamour der Rockwelt, der große Teile ihres Lebens unerträglich machte, verfolgen ihre eigenen Pläne, geben kaum Auskunft über ihre Vergangenheit.

Doch zwei Dinge vereinen am Ende die Kinder aller Stars. Erstens der Neid, der ihnen nicht nur von Fremden, sondern von Leuten aus ihrer Branche entgegenschlägt. Die Kinder gelten als verzogen, als verwöhnte, nervige Teenager mit Riesenselbstbewusstsein. Selbst gut Erzogene wie Plum Sykes, Kolumnistin der US-Vogue, hält die Kombination aus gutem Aussehen und vorauseilendem Ruhm im Kopf kaum aus. "Diese Mädchen sind einfach nicht schön genug, nicht groß oder außergewöhnlich genug", schimpft sie über die Startöchter und klingt dabei wie Rumpelstilzchen.

Der New Yorker Autor Michael Cross hat die zweite Gemeinsamkeit der Kinder gut erkannt, sie hat fast etwas Poetisches. "Die Kinder von Stars sind besonders. Schalte eine Glühbirne in ihrer Gegenwart an und sie sind genetisch so vorprogrammiert, dass sie sich genau in die Richtung der Birne bewegen." (DER STANDARD/rondo/Anne Philippi/6/12/02)