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Jacqueline Helm war die erfolgreichste österreichische Teilnehmerin bei den Weltreiterspielen in Stockholm – und ist Österreichs ungekrönte Voligier-Königin.

Foto: Archiv Pferderevue/Reinhold Glaser
Jacqueline Helm weiß, was sie will. Mit fünf begann sie in England, der Heimat ihrer Mutter, mit dem Reiten – auf einem Pony, wie sich das gehört. Daheim in Österreich nahm sie Balettunterricht, verlegte ihren Schwerpunkt später in Richtung Leistungsturnen und kam schließlich doch noch aufs Pferd. Sollte sie ihre aktive Voltigierlaufbahn beenden, könnte sie sich auch vorstellen, ins Dressurlager zu wechseln. Vorausgesetzt, sie findet ein entsprechendes Pferd und einen geeigneten Trainer, denn wenn sie etwas macht, dann „g’scheit oder gar ned“.Vor genau zehn Jahren begann die Voltigierkarriere der nunmehr 24jährigen. 1998 wurde sie das erste Mal, 2001 zum zweiten Mal Einzel-Staatsmeisterin, heuer verpaßte sie den Titel knapp und holte Silber. Bis zu ihrem neunten Platz bei der Weltmeisterschaft im spanischen Jerez de la Frontera im September war ihr größter Erfolg bei einem internationalen Championat der fünfte Platz im Finale der Europameisterschaft in Poznan (POL) 2001. WM-Überraschung Kein Wunder, daß die Voltigierkönigin für den WM-Auftritt in Spanien sich eigentlich mehr vorgenommen hat – ein Medaillenplatz schien im Bereich des Möglichen und hätte die Sensation schlechthin werden können. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Im Winter zwangen zuerst Verletzungen, dann ein hartnäckiger Grippevirus Jacqueline Helm zu einer monatelangen Trainingspause. Erst im Mai konnte sie mit dem vollen Programm beginnen – da war der Trainingsrückstand jedoch schon unaufholbar und die WM-Qualifikation noch nicht geschafft. Nachdem der BFV ihr eine letzte Qualifikationsmöglichkeit im August im deutschen Rede zugestand, bei der sie auf sämtliche WM-Konkurrentinnen stieß, schien für Helm ein fünfter bis siebenter Platz realistisch. Daß es mit dem hoch gesteckten Ziel nicht ganz klappte, lag an den Nerven der grazilen Sportlerin, die ihr immer wieder mal ein Schnippchen schlagen. Nach kleineren Fehlern in der Pflicht mußte Jacqueline Helm bei der ersten Kür vorzeitig vom Pferd, wodurch sie drei Übungen nicht zeigen konnte. Erst im zweiten Durchgang lief es ohne Hoppalas – umso beeindruckender ist der doch noch erreichte neunte Platz im Endklassement. Und umso überraschter war sie dann auch selbst. Zwischen den Starts Jacqueline Helm hat ihr Leben ganz auf den Voltigiersport abgestimmt. Derzeit trainiert sie zweimal pro Woche im Voltigierverein Ingelsberg in der Nähe von München. Sie hat den hochprofessionellen Verein – 200 VoltigiererInnen, neun Turniergruppen und 14 Pferde – mit Bedacht gewählt: Neben dem Voltigiertraining bei Alexander Hartl (mindestens zweimal pro Woche) arbeitet sie dort auch mit einem russischen Akrobatiktrainer und einer Tanzlehrerin, um Technik, Bewegungen und Ausdruck zu verbessern. Im Sommer gibt es Intensivwochenenden, an denen von neun Uhr früh bis abends um sechs trainiert wird. Ihr persönliches Ausgleichstraining ist um nichts weniger anstrengend. Das Inlineskaten hat ihr der Sportarzt als Alternative zum Laufen empfohlen, um die malträtierten Knie zu schonen (eine weitere Operation steht bevor); die Dehn- und Stretcheinheiten sind sowieso obligatorisch, und drei- bis viermal wöchentlich findet sie sich im Fitneßstudio wieder. Dort arbeitet Jacqueline Helm nach einem selbst zusammengestellten Programm, denn: „Der Fitneßtrainer hat mehr so ein Hausfrauenprogramm entworfen, und selbst kennt man seinen Körper doch am besten.“ Jacqueline Helm weiß, wovon sie spricht. Nach einem Sportmanagement-Studium, das ihr „zuviel Management und zuwenig Sport bot“, wie sie selber sagt, wechselte sie 1998 auf die Pädak in Innsbruck. Im Februar dieses Jahres hat sie das Sonderschullehramt erfolgreich abgeschlossen, und derzeit arbeitet sie als Integrationslehrerin in Innsbruck. Parallel dazu hat die erfolgreiche Sportlerin die Ausbildung zur Heilpädagogischen Voltigiertherapeutin absolviert und fast auf den Tag genau vor vier Jahren einen eigenen Voltigierverein gegründet, den Union Voltigierverein Zillertal. Die nächsten Ziele Die Weltmeisterschaft in zwei Jahren in Stadl-Paura reizt Jacqueline Helm sehr, und ihre Augen leuchten, wenn sie darüber spricht. Auch wenn ihr die eigene Voltigiergruppe so viel Spaß macht, daß sie derzeit nicht entscheiden kann, was sie lieber macht – trainieren oder trainiert werden. In fünf Jahren möchte sie ihre Kinder so weit haben, daß sie eine ernstzunehmende Konkurrenz für die heimischen Voltigiervereine darstellen. Das Pferd ist gut, die Einstellung stimmt, die Kinder nennt sie „brutal mutig“ und die eine oder andere Trainingsmethode „klaut“ sie aus Ingelsberg. Außerdem versteht sie sich blendend mit ihrem langjährigen Trainer von der VG Pill, die innerhalb Tirols eine gesunde Konkurrenz darstellt und mit der ihre Gruppe gut zusammenarbeitet. Für den österreichischen Voltigiersport erhofft sich Jacqueline mittel- bis langfristig wieder einen Aufschwung, zu dem auch sie einen großen Teil beitragen will. Karl Alber hat eine große Lücke hinterlassen, und die derzeitige Situation im Vergleich zu anderen – teilweise jüngeren – Voltigiernationen findet sie, die Fröhliche, ziemlich traurig. Andererseits – im eigenen Land, vor heimischem Publikum an einer WM teilzunehmen, ist eine große Verlockung. 2004 wäre Jacqueline Helm knapp 26 – und vielleicht könnte sie ihre aktive Karriere doch noch mit einer WM-Medaille beenden… Da läßt sie sich aber derzeit nicht festnageln. „Sicher ist nur, daß ich dem Voltigiersport in Österreich auf jeden Fall erhalten bleibe, sei es als Trainerin oder als Sportlerin“, strahlt sie. Andrea Kerssenbrock