Fotos im Uhrzeigersinn, oben links beginnend: Designerinnen Lilly Reich, Henrike Meyer, Eileen Gray und Alexandra Martini und Henrike Meyer sowie Ray Eames
Fotos: aus Buch
Foto: Buchcover

Ein wenig alternativ mutet der Titel an. Doch so hämisch der eine oder andere spotten mag: Frauen sind im Design tätig und das immer schon mit Erfolg. Einige Personen finden nun (erneut) Würdigung. Doch Frauen, so hörte man kürzlich, seien die ewigen Verlierer - vorgetragen anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Designerinnen Forums in Bremen.

Obschon sie zu gleichen Teilen wie Männer Design studierten, hätten Männer im Berufsleben meist die Nase vorn: Sie zögen die Aufmerksamkeit stets auf sich. Und tatsächlich muss Mann kein Fan von lila Latzhosen sein, um dieser Feststellung eilig zuzustimmen. Weshalb das nun erschienene Buch über Designerinnen sehr zu begrüßen ist - rückt es doch erfolgreiches Design des sonst vernachlässigten Geschlechts in den Vordergrund.

Schon im vergangenen Jahr hatte der kleine Verlag Aviva einen ähnlichen Band, allein über Architektinnen, vorgelegt - wodurch sich nun ein paar Doubletten, etwa bei Lilly Reich oder Eileen Gray ergeben, was aber nicht zu identischen Texten führt. Eileen Grays Tätigkeit wird in der Publikation nicht mehr auf ihr Bauen beschränkt, sondern anhand ihrer Möbelentwürfe präsentiert. Insgesamt 16 Frauen und ihr "Werk" - bisweilen gar in feierlich-kunsthistorischer Manier als "uvre" geadelt - , bekommen ihren Platz im Buch: Zwischen zehn und 20 Seiten werden jeder Designerin eingeräumt. Und da es offenbar kein stringentes Inhaltskonzept gibt, liegt der Schwerpunkt einmal auf biografischen Daten, einmal auf heroischen Designleistungen. Ausgewählt wurden die Repräsentantinnen des Designs "subjektiv", wenngleich behauptet wird, die im Band Versammelten seien "die wichtigsten Vertreterinnen der Designgeschichte". Nun gut: Alle sind wichtig. Wenn auch nicht zu übersehen ist, dass einige nicht so sehr wegen überragender Designleistungen, sondern mehr wegen ihres Geschlechts im Buch zu Ehren gelangen.

Wie etwa die dänische Möbeldesignerin Nanna Dietzel. Heute fast 80-jährig, habe sie "in nahezu allen Bereichen des Industriedesigns Fuß fassen und Erfolge verzeichnen" können, prahlt die Autorin. Gefällige Möbel hat Frau Dietzel entworfen und zwar solche, die sich gut verkaufen ließen. Und Schmuck - aber keine Bohrmaschinen oder Bagger. Wieso also die unsinnige Behauptung? Es ist doch die Krux am Design, dass Frauen (bedauerlicherweise bis heute) überwiegend mit dem Entwurf niedlicher Dinge betraut werden: Vasen, Teller oder Teekannen. Darstellbar an verdienstvollen Designerinnen, wie der einzigen Schülerin in der Metallwerkstatt des Bauhauses, Marianne Brand, oder der prominentesten Designerin der DDR, Margarethe Jany - beide sind im Buch vertreten. Eine der wenigen, dafür aber überzeugendsten Ausnahmen der Gegenwart stellt die Französin Anne Asensio dar. Sie entwarf in führender Position bei Renault das Fahrzeugkonzept Scénic, welches 1996 als Mégane Scénic auf den Markt kam. Sie war also in einem Segment des Designs tätig, das bis heute von Männern dominiert wird, und verweist auf einen weiblichen Pragmatismus, der Autos von innen her entwickelt und somit neue Nutzungskonzepte ersinnt. Sie hütet sich also redlich davor, vor Kraft strotzende Hüllen um den immer gleichen (gescheiterten) Traum einer Mobilitätsutopie namens Auto zu basteln.

Eine Form von Rationalismus, die auch Anna Castelli Ferrieri zu eigen ist. Inzwischen 82 Jahre alt, hat sie die Designgeschichte Italiens quasi von Anfang an mitgeprägt. Und sie ist, ebenso technisch versiert wie auch humanistisch motiviert, die tonangebende Gestalterin der Produkte von Kartell gewesen. Was dem Unternehmen über Jahrzehnte wirtschaftlichen Erfolg bescherte. Eine vielleicht als unweiblich geltende Kategorie, die aber gerade für Florence Knoll - neben der ästhetischen - eine wichtige Motivation für ihre Arbeit war. Sie, die nach der Heirat mit dem Möbelhersteller Hans Knoll sämtliche Designentscheidungen, vom Firmenschild bis zur Kooperation mit Gestaltern wie Mies van der Rohe oder Isamu Noguchi, traf, sie darf die erste Designmanagerin des 20. Jahrhunderts genannt werden.

So spiegelt das Buch zahlreiche Facetten gestaltender Frauen wider - ist also, in aller Knappheit der Beiträge, ein fabelhafter Einstieg in die Eigenart weiblicher Gestaltung. Zu beklagen ist indes, dass eben nicht die speziellen weiblichen Qualitäten und Eigenarten der Designerinnen ergründet werden. Eine verkürzende Sichtweise, die von einigen der porträtierten Designerinnen kategorisch abgelehnt wurde und gewiss noch heute von selbstbewussten Zeitgenossinnen vehement zurückgewiesen wird. Mit Recht. (Knuth Hornbogen, DER STANDARD, RONDO, 15.11.2002)