Nur bei Gelegenheit spontan handlungsfähig: Josef Hader in "Blue Moon"

Foto: Filmladen

Fiktive Doppelexistenz: Viktoria Malektorovych als Jana

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Und jetzt sollte man demnächst doch einmal die Initiative ergreifen: Detlev Buck und Josef Hader in Andrea Dusls eigenwilligem Roadmovie

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Wien - Kleider machen Leute, sagt man. Und das Allerweltssakko, das der Held überm Pullover trägt, das ist nicht aus dem Stoff, aus dem man gemeinhin Kinohelden schneidert. Es gerät aus der Fasson und die Schultern fangen an zu hängen. Der Mann, der in ihm steckt, ist tendenziell antriebslos, aber bei Gelegenheit spontan handlungsfähig - vor allem, weil er nicht rechtzeitig wegkommt oder sich mitnehmen lässt von anderen. Der Film erzählt also auch eine tragikomische Entwicklungsgeschichte: Wann wird einer initiativ? Oder: Was lässt ihn initiativ werden?

Die Antwort ist nahe liegend: Eine Frau tritt in sein Leben. Zugleich, angesichts eines Helden, der nicht einmal selber so richtig an sich glauben will, wirkt dieser Umstand weit hergeholt. Dem Film gibt das eine traumartige, taumelige Grundstimmung, die bis zum Ende anhält. Den Zuschauer hält es auf Distanz.

Auch Pichler, so heißt der Mann, ist ein Zuschauer. Passenderweise beginnt Blue Moon, das Spielfilmdebüt von Andrea Dusl, in Großenzersdorf am leeren Autokino-Parkplatz. Dort, wo man gewöhnlich erfundene Abenteuer anderer sieht, findet sich Pichler (Josef Hader), eigentlich nur Überbringer eines Geldkuverts, unversehens an der Seite einer jungen, schönen Frau (Viktoria Malektorovych) in einem Auto wieder, dessen dubioser Besitzer ausgetrickst zurückbleibt.

Die Fahrt geht gen Osten, so lange, bis es nicht mehr weitergeht: Am Schwarzen Meer, im Hafen von Odessa, wird Pichler den finalen Sprung ins kalte Wasser wagen. Bis es so weit ist, verliert er die Frau erst einmal aus den Augen. Eine weitere Zufallsbekanntschaft, ein ostdeutscher Tagedieb namens Ignaz (Detlef Buck), nimmt sich seiner an und zeigt ihm unter anderem, was Männer im Osten so erleben können. Aber die Frau spukt noch in Pichlers Kopf herum. Er begibt sich mit ein paar vagen Anhaltspunkten allein auf die Suche, die ihn im ukrainischen Lviv mit der Taxifahrerin Jana zusammenführt - der Zwillingsschwester der abhanden gekommenen Schönen, wie es scheint.

Eine fiktive Doppelexistenz, die sich mit einem müden Helden trifft. Auch Pichler, den Jana mir nichts, dir nichts bei sich aufnimmt, wirkt immer seltsam neben sich. Die Zuschauerposition bleibt ihm lange erhalten. Irgendwann beobachtet er Jana, wie sie selbstvergessen tanzt. Damit er selber vergleichbar aus sich herausgeht, bedarf es der Erhöhung des Leidensdrucks: Auch Jana droht er zu verlieren. Endlich hört er auf zu reagieren und beginnt, seinen eigenen Plan zu verfolgen.

Der Österreicher in der Fremde macht also eine traurige Figur. Seine Umgebung bleibt ihm äußerlich. Weil die Montage weitgehend handlungsorientiert funktioniert, bleibt auch dem Publikum wenig Zeit, sich vor Ort umzusehen. Das ist ein bisschen schade. Eine Alternative zur Komödienkonfektionsware ist dieses eigenartig konstruiert wirkende Roadmovie aber allemal. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.11.2002)