Eben noch haben uns einige Zigtausend Experten für Informationstechnologie gefehlt, von "Green Cards" für Inder und viel, viel mehr Ausbildung für Inländer war die Rede, um die sich auftuende Fachkräftelücke zu schließen. Und eh man sich's versieht, ist aus dem IT-Fachkräftemangel plötzlich eine kleine Schar von Arbeitslosen geworden, weniger zwar als in anderen Branchen, aber immerhin.Zwar sind wir mit einem reichen Wortschatz gewappnet, der uns vor solchen Fehlschlüssen behüten soll, wie die Lehre von Bäumen, die nicht in den Himmel wachsen. Aber unser Lieblingszustand ist immer noch himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Trendforschung scheint immer nur eine Richtung zu kennen, nämlich jene, in die der Trend gerade zeigt - und derzeit zeigen die Trends abwärts, also ist eine Umkehr nicht mehr vorstellbar. Dabei liegt Trendforschung nun voll - eben im Trend. Die Pensionslücke: unausweichlich. Der Pflegepersonalmangel: wird uns über den Kopf wachsen. Die Konjunktur: unrettbar. Das nächste Budgetdefizit: ausufernd. Solches Denken nähert sich dem, was uns Psychiater nach Amokläufen über die Befindlichkeit des Amokläufers erklären: der Tunnelblick, der keinen Ausweg mehr kennt. Etwas mehr Handeln statt banger Blicke auf Trends könnte Auswege schaffen. Soll man etwa IT-Ausbildungen einstellen? Nein, denn Technologie wird weiterhin der Motor unserer Gesellschaft sein. Aber vernünftig ist es, nicht alles auf eine Karte zu setzen - weder als Staat noch als Individuum. Erst übergroße Spezialisierung birgt die Gefahr, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Auf diese Nebenwirkungen sollten Beipackzettel zu Trendforschungen hinweisen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 31.10.2002)