Bild nicht mehr verfügbar.

Gertraud Knoll

foto: reuters/bader
Wien - Die evangelische Superintendentin des Burgenlandes, Gertraud Knoll (43), unternimmt ihren zweiten Anlauf für eine politische Karriere. Nach ihrer Kandidatur im Präsidentschaftswahlkampf vor vier Jahren steigt die deklarierte Gegnerin von Schwarz-Blau im "Kabinett des Lichtes" von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer jetzt in den Nationalratswahlkampf ein. Sie ist vorgesehen als Staatssekretärin im Sozialministerium mit den Schwerpunkten ältere Menschen und Behinderte. Sie hat auf eigenen Wunsch alle kirchlichen Ämter zurückgelegt. Knoll ist politisch kein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 1998 kandidierte sie für das Amt des Bundespräsidenten und erreichte - abgeschlagen, aber doch - den zweiten Platz hinter Thomas Klestil, der bei seiner Wiederwahl mit 63,5 Prozent einen Erdrutschsieg erreichte. Knoll schnitt mit 13,5 Prozent besser ab als die LIF-Kandidatin Heide Schmidt (11,1) und der Wiener Baumeister Richard Lugner (9,9). Angetreten war Knoll damals als unabhängige Kandidatin, freilich mit Unterstützung und getragen von den Grünen und Teilen der SPÖ. Dass sie einmal für eine Partei antreten werde, hatte sie damals noch kategorisch abgelehnt. Sie wolle ihre politischen Anliegen weiterhin vertreten und dafür brauche sie ihre Unabhängigkeit. Rednerin bei Großdemonstration gegen Schwarz-Blau Aus der Politik heraus gehalten hat sie sich auch nicht: Vor zweieinhalb Jahren, am 19. Februar 2000, trat sie als Rednerin bei der Großdemonstration gegen die Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung auf. Die Folge waren heftige Anfeindungen. Nach massiven Drohungen, auch gegen ihre Kinder, musste sie sogar einen Sonderurlaub antreten. Knoll soll auch von FP-nahen Polizisten bespitzelt worden sein. Innerhalb der evangelischen Kirche hatte die FPÖ-nahe "Plattform Evangelischer Christen", als deren Sprecher der derzeitige steirische FP-Chef Landesrat Leopold Schöggl fungierte, mit einer Unterschriftenaktion vehement ihren Rücktritt gefordert. Sozialstaatsvolksbegehren Neuerlich ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat Knoll dann im heurigen Frühjahr als Mitinitiatorin des Sozialstaatsvolksbegehrens. Bereits ein Jahr davor erhielt sie bei der Direktwahl der Vertreter des ORF-Publikumsrates im Bereich Eltern und Familien 29.605 der insgesamt 62.105 gültigen Stimmen. Sie war von insgesamt vier Vereinen aufgestellt worden und gilt als SPÖ-nahe Vertreterin im Publikumsgremium. Gertraud Knoll war 1985 die erste evangelische Pfarrerin der Diözese Burgenland. 1994 wurde sie zur ersten Superintendentin Österreichs gewählt. Sie war damit im Rang eines Bischofs und hatte die Verantwortung für 35.000 Gläubige in 29 Gemeinden. Zur Person Sie wurde am 7. Dezember 1958 in Linz geboren. 1977 maturierte sie und begann anschließend in Wien Theologie zu studieren. Im selben Jahr heiratete sie Otmar Knoll. 1982 war sie ein Jahr als Universitätsassistentin für Systematische Theologie an der Uni Wien tätig. Ihre seelsorgliche Tätigkeit begann sie 1983 als Vikarin im mittleren Burgenland. Ihre erste Pfarrstelle trat sie 1985 in Weppersdorf an. Im März 1991 kam Tochter Esther Naomi zur Welt, im Juli 1993 wurde Tochter Eleni Ruth geboren, im Herbst vergangenen Jahres Sohn Levi. Gertraud Knolls Ehemann ist ebenfalls als evangelischer Theologe tätig. Knoll erhielt im Vorjahr in Deutschland den Preis für Zivilcourage in der Kirche. Im Jahr davor verlieh ihr die Israelitische Kultusgemeinde in Wien die Friedrich Torberg Medaille 2000. Mit der Medaille zeichnet die Kultusgemeinde Persönlichkeiten und Initiativen aus, die sich für eine offene und lebendige Demokratie in Österreich einsetzen oder gegen das Wiedererstarken des nationalsozialistischen Ungeistes auftreten. (APA)