Die Gewerkschaft mag keine Saisonarbeiter. Saisoniers aus Osteuropa würden Österreichern Jobs im Tourismus wegnehmen. Schließlich gebe es rund 30.000 einheimische Köche und Kellnerinnen, die arbeitslos sind und stempeln gehen. Dies sollte laut Gewerkschaft Argument genug sein, die Beschäftigung von Saisoniers ein für alle Mal zu stoppen. Damit nicht genug: Tschechen, Slowenen und Ungarn seien bereit, zu Hungerlöhnen zu arbeiten. Damit würden sie das Lohngefüge in Österreichs Hotellerie und Gastronomie ruinierten. Pfui!Als ob es da noch was zu ruinieren gäbe. Handel und Tourismus liefern einander seit Jahr und Tag ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel der am schlechtesten zahlenden Branche. Dass die miese Entlohnung mit ein Grund ist für die Schwierigkeit mancher Hotels und Restaurants, genug Personal zu finden, mag in einige Köpfe einfach nicht hinein. Wenn die Gewerkschaft von Hungerlöhnen spricht, kritisiert sie sich selbst. Schließlich hat sie die Kollektivverträge mitverhandelt. Und auf der anderen Seite ein Arbeitsrecht durchgesetzt, das es den meisten (finanzschwachen) Hoteliers unmöglich macht, aus Saisonierjobs ganzjährige Arbeitsplätze zu machen. Ein weiterer Grund, warum sich die Branche so schwer tut, Arbeitskräfte zu finden, und in Spitzenzeiten auf Saisoniers ausweichen muss, ist die vielfach ungeregelte Arbeitszeit. Insbesondere Männern und Frauen mit Familie wird es durch Wochenend- und Nachtarbeit nicht gerade einfach gemacht, im Tourismus beschäftigt zu bleiben. Auf mehr Planbarkeit bei den Arbeitszeiten hinzuarbeiten wäre ebenfalls eine lohnende Aufgabe für die Gewerkschaft. Weitergebracht hat sie bisher wenig. Die Vorstellung, mit einem Verbot der Saisonierbeschäftigung ließen sich alle Probleme lösen, ist eine Illusion. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2002)