Verglichen mit dem, was andere Länder ihrem Nachwuchs bieten, ist das österreichische Schulsystem relativ erfolgreich. Diese beruhigende Botschaft der Pisa-Studie wird durch andere OECD-Studien relativiert: So zeigen neue OECD-Zahlen, dass die Bildungserfolge unter anderem mit einer überdurchschnittlich langen Anwesenheit der Schüler im Unterricht (und wenigen Unterrichtsstunden pro Lehrer) erkauft werden. So steht es in den Vorergebnissen der Studie "Education at a glance", die aber noch einen zweiten Blick wert ist.Es geht bei der Beurteilung des Bildungssystems nämlich nicht nur um die 14-Jährigen, die besonders genau untersucht werden, weil sie am Ende der Schulpflicht stehen. Sondern es geht darum, die Bildungslaufbahn vor und nach Ende der Pflichtschule zu betrachten. Das müsste mit dem Kindergarten beginnen, dessen Funktion in Österreich stets unter dem Schlagwort "Kinderbetreuung" abgehandelt wird - die Chancen, die sinnvolle Kindergartenpädagogik eröffnet, sind kein Thema. Ähnlich ist es mit der Volksschule, die vielfach als von Stress (und Noten) freigehaltene Schuleingewöhnungsphase missverstanden wird. Bis dann für die Zehn- bis 14-Jährigen die Anforderungen (und Schulzeiten) kräftig ansteigen. Und die Jugend ab 15? Da geht es um Lehrstellen für Lehrlinge - aber kaum um deren berufliche Interessen oder gar um Bildungsziele. Oder um die Stofffülle der Oberstufen-Lehrpläne, nicht aber um die Relevanz des Gelernten. Selbst angehende Studenten haben erstaunlich oft keine Ahnung, warum sie gerade dies oder jenes studieren. Eine breite Diskussion, aus welcher Sparte Österreich mehr Wissenschafter und aus welcher weniger bräuchte, findet erst gar nicht statt. Die Zufriedenheit der Bildungsverwaltung mit den OECD-Daten ist daher voreilig. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2002)