London- Das Kyoto-Protokoll zum Stopp des Klimawandels baut auf einem wissenschaftlichen Trugschluss auf. Dies legen die ersten Ergebnisse des europaweiten Forschungsprogramms zur Kohlenstoff-Bilanzierung CarboEurope nahe. Laut Kyoto-Protokoll können Vertragsstaaten ihre Ziele, Treibhausgas-Emissionen bis 2012 zu senken, durch das Anpflanzen von Wäldern als so genannte "CO2-Senken" erreichen. Diese "Kyoto-Wälder" sollen aber laut Ergebnissen mehr Kohlenstoff abgeben, als die heranwachsenden Bäume in den ersten zehn Jahren aufnehmen können.Die ersten Ergebnisse, die jüngst in Valencia/Spanien vom beteiligten Forscher Riccardo Valentini von der Universita della Tuscia/Viterbo präsentiert wurden, könnten Regierungen in Verlegenheit bringen, die derzeit auf dem Umweltgipfel in Neu Delhi über die Implementierung des Kyoto-Protokolls diskutieren. Staaten wie Italien haben bereits Pläne angekündigt, zehn bis 40 Prozent der Emissionsreduktionsziele bis 2012 durch Aufforstungen erreichen zu wollen. Forscher aus dem eigenen Land warnen aber, dass diese Senken nicht wirken werden. Geben mehr ab als sie aufnehmen Das Problem sind laut Forschern die Böden. Waldböden und deren pflanzliche Bestandteile enthalten drei bis vier Mal so viel Kohlenstoff wie die darüber liegende Vegetation. Wird der Boden im Zuge der Aufforstung gerodet, gibt das verfaulende organische Material im Boden CO2 an die Atmosphäre ab. Diese Abgabe ist den CarboEurope-Ergebnissen zufolge größer als jene CO2-Menge, die von den wachsenden Bäumen in zehn Jahren aufgenommen werden kann. Der CarboEurope-Vorsitzende Han Dolman von der Freien Universität Amsterdam erklärte darüber hinaus, dass neu gepflanzte Wälder auf Torfböden nie soviel CO2 aufnehmen werden wie diese abgeben. In Schätzungen ist man bislang davon ausgegangen, dass europäische Wälder bis zu 400 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr aufnehmen können. Forscher gingen davon aus, dass die meiste Absorption durch Jungwälder zu erreichen ist. Nach Angaben von Valentini akkumulieren tatsächlich aber alte Baumbestände mehr CO2 als Neuanpflanzungen. Daher sei im Kampf gegen die globale Erwärmung die Erhaltung von bestehenden Wäldern eine bessere Strategie als neue Wälder zu pflanzen. Diese Tatsache würde das Kyoto-Protokoll nicht berücksichtigen, berichten die Forscher in "New Scientist". "Außerdem enthält es keine Maßnahmen, Abholzungen zu stoppen", kritisierte Valentini. Ergänzend dazu Dolman: "Hätten Politiker 1997 gewusst, was wir jetzt wissen, hätten sie den Bestimmungen zu CO2-Senken niemals zugestimmt. Zumindest hoffe ich das." Kritik aus der Forstwirtschaft Eine so generalisierende Aussage ist falsch, denn Böden sind unterschiedlich zusammengesetzt, schreibt der Hauptverband der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe (HVLF) in Bezug auf Valentinis Veröffentlichung. "Die Aufnahme von Kohlenstoff hängt von der Zusammensetzung der Böden ab und von den Pflanzen, die daraus wachsen", so Stefan Schenker, Präsident des HVLF. Zudem sei es nicht richtig, dass Waldböden zur Neuaufforstung von Kyoto-Klima-Plantagen verwendet werden. Als Plantagen gelten laut Kyoto-Protokoll nur aufgeforstete Flächen, die im Jahre 1990 kein Wald waren. Der Autor kommt außerdem zu der laut HVLF falschen Annahme, dass Wälder mit neu gepflanzten Bäumen generell weniger Kohlenstoff aufnehmen als sie an die Luft abgeben. Alte Bäume sind für ihn somit besser für die Aufnahme von CO2 geeignet. Forscher des CarboEurope-Projektes hätten jedoch aufgezeigt, dass ein Wald mit jungen und alten Bäumen die beste Speicherwirkung besitzt. Ohne Verjüngung bricht ein Wald zusammen und verrottet – dabei setzt er das umweltschädliche CO2 frei. Weiters wird geschrieben, dass Italien bis zu 40 Prozent seiner Emissionsreduktionsziele bis 2012 durch Aufforstung erreichen will. Das stimme nicht: in diesem Fall müsste halb Italien zugeforstet werden - die notwendigen Flächen dafür wären gar nicht verfügbar, erklärte der HVLF. (pte)