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Paul Weiland: Die evangelische Kirche hat den Vorteil, dass es keine traditionelle Nähe zu einer Partei gibt

Foto: APA/Johann Gürer
Am Donnerstag feiern die evangelischen Kirchen ihr Reformationsfest. Mit dem Superintendenten in Nieder- österreich, Paul Weiland, sprach Heiner Boberski über Konfliktfelder und das Verhältnis zur Politik.
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STANDARD: Kämpft nicht die evangelische Kirche wie die katholische mit Kirchenaustritten und mangelnder Präsenz bei Gottesdiensten? Weiland: Das ist zum Teil Wunschdenken. Tatsache ist, dass die evangelische Kirche in Österreich seit etwa drei, vier Jahren zahlenmäßig konstant bleibt. Das ist im Wesentlichen durch Zuzüge aus anderen Ländern bestimmt und durch so genannte "Geheimprotestanten im Land", die sich nach Jahren der Distanz entschließen, wieder zur Kirche zu kommen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch Austritte haben, mehr als Eintritte. Das muss uns beunruhigen, weil jeder Austritt ein Hinweis ist, dass sich die Kirche nicht als eine Institution zeigen konnte, der anzugehören sinnvoll ist. STANDARD: Der Anteil an der Bevölkerung ist wie bei den Katholiken abnehmend ... Weiland: Das ist richtig. Aber die Volkszählung 2001 hat gezeigt, dass die evangelische Kirche in den letzten zehn Jahren nur um 0,3 Prozent abgenommen hat, und wir befinden uns derzeit in einer Trendwende. Immer noch ist die evangelische Kirche die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich, und das wollen wir auch ausbauen. STANDARD: Gibt es wie in der katholischen Kirche Reizthemen, die polarisieren? Zum Beispiel die Homosexualität? Weiland: Das ist ein Reizthema, das auch, wenn man es so oder so durchzöge, zu Spaltungen führen könnte. Insofern sind wir in der Evangelischen Kirche A.B. auch nach der jüngsten Synode immer noch auf dem Stand, diese Frage zu überlegen und zu versuchen, einen Konsens zu finden, den ein Großteil unserer Gemeindeglieder mittragen kann. Da sind wir heuer noch nicht so weit - zum Unterschied von unserer Schwesterkirche H.B., die eine Segnung homosexueller Paare zulässt, wenn eine Gemeinde, also ein Presbyterium, zustimmt. STANDARD: Gibt es noch andere Konfliktfelder? Weiland: Keines von ähnlicher Intensität. Wir beschäftigen uns jetzt auch mit Fragen der Organisationsentwicklung, damit unsere Kirche angemessen auf die Herausforderungen der Zeit reagieren kann. Da sagen einige, das sind moderne Managementmethoden, die Kirche muss sich aber mehr auf das Wort Gottes verlassen. Das ist aber nicht wirklich eine Zerreißprobe. STANDARD: Und das Verhältnis Kirche - Politik? Weiland: Die Ansicht, man kann politisch etwas sagen, aber man darf nicht parteipolitisch sein, ist eine Illusion. Wobei es keinen Sinn macht, wenn die Kirche offiziell zu allem und jedem etwas sagt. Die evangelische Kirche hat den Vorteil, dass es keine traditionelle Nähe zu einer Partei gibt. Wenn etwa bei der Flüchtlingsbetreuung, für die sich viele engagieren, etwas nicht in Ordnung ist, dann wird das gesagt, egal ob der Innenminister von der SPÖ oder jetzt von der ÖVP kommt.(DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2002)