Kassenschlager für "spät pubertierende Volltrottel"
Zum Start von "Jackass - The Movie" stürmte das Publikum die amerikanischen Kinos
Redaktion
,
In der Fernsehshow "Jackass" stecken sich
Menschen zum Spaß etwa gegenseitig in Brand.
Nun treiben die Männer um Johnny Knoxville
ihre derben Späße in Leinwandformat. Zum Start
von "Jackass - The Movie" stürmte das Publikum
die amerikanischen Kinos.
Goldfische werden verschluckt - und wieder erbrochen, uringetränkte Schneebälle verkostet, Alligatoren an
Brustwarzen angesetzt, blutverschmierte Autos in Waschanlagen abgestellt.
"Spät pubertierende Volltrottel", "geschmacklos", und
"idiotisch": Zum Kinostart
von "Jackass - The Movie" demonstrierte die US-Presse moralische Einigkeit. Das Publikum freilich auch, wenn auch
nicht unbedingt im Sinne der
Kritiker: Die Filmversion der
auch hierzulande erfolgreichen Fernsehshow des Musiksenders MTV, "Jackass", lockt
zurzeit die Massen in die amerikanischen Kinos.
Bereits nach dem ersten
Wochenende katapultierte
sich die Truppe um Regisseur
Jeff Tremaine, Koproduzent
Spike Jonze und Frontmann
Johnny Knoxville auf Anhieb
auf Platz eins der US-Kinocharts und spielte knapp
23
Millionen Dollar ein. Der
Film selber kostete für heutige
Verhältnisse spottbillige fünf
Millionen Dollar.
In "Jackass", der Fernsehserie,
lassen sich Moderator Johnny
Knoxville und seine Mannschaft mit Farbpistolen beschießen, schwimmen im
Kloakebecken einer Kläranlage, lassen sich Zettel mit einem Hochdrucktacker an die
Haut ihres Hinterteils heften,
werfen sich vor fahrende Autos, bewerfen sich mit
Dartspfeilen oder lassen sich
von einem Pyrotechniker in
Brand stecken. In "Jackass - The Movie" wird das erfolgreiche Konzept des sinnlosen
Spaßes beibehalten: zum Beispiel wenn Knoxville in ein
Kaufhaus geht, dort die Abteilung für Sanitärwaren aufsucht, sich vor den Augen des
Verkaufspersonals auf die
Toilette begibt und sein Geschäft verrichtet.
"Warnung! Lesen Sie diesen
Artikel nicht, wenn Sie einen
schwachen Magen haben oder
anfällig für moralische Entrüstung sind", betitelte die
Zeitschrift "Entertainment
Weekly" eine Filmkritik über
"Jackass - The Movie" und ironisierte damit die Vermarktung
eines Kassenschlagers.
Nicht zur Nachahmung
Zum Einsatz kommt nämlich eine Werbestrategie, die
nicht zuletzt mit Verboten
spekulieren darf - und damit
genau das Gegenteil, nämlich
kommerziellen Erfolg provoziert: Vor den Kinosälen achten Bodyguards darauf, dass
kein Jugendlicher unter 17
den Film zu sehen bekommt.
Filmtrailer im Fernsehen gibt
es nicht vor 21
Uhr. Wer es
schließlich schafft, Knoxvilles
halsbrecherische Stunts zu
sehen, bekommt sowohl im
Vor- als auch im Abspann die
strikte Weisung, vom Zu-Hause-Nachmachen Abstand zu
halten. Wer die Kids davon
abhalten soll, schon bald den
Film auf DVD zu erwerben,
kümmert dann schon wieder
niemanden mehr.
Umstritten ist die Show vor
allem wegen der mittlerweile
erklecklichen Zahl an Nachahmern, die den 31-jährigen
Knoxville zu ihrem Vorbild
erkoren haben. Wie zum Beispiel vergangenen Juni, als
sich ein 14-jähriger Schüler
aus dem deutschen Esslingen
von seinen Freunden anzünden ließ und nur knapp überlebte. Ein Stunt aus "Jackass"
passte exakt zur Tat der Jugendlichen. Bei MTV wischte
man die Vorwürfe schnell
vom Tisch: Nur weil man Spiderman im Kino sehe, springe
ja schließlich auch niemand
vom Dach eines Hauses, erklärte eine Pressesprecherin.
Mit ganzer Strenge urteilten
Deutschlands Medienwächter: "Der Gesamtcharakter der
Sendung regt zu einer permanenten Grenzüberschreitung
an und fordert ein Verhalten
heraus, aus dem schwere körperliche Schäden resultieren
können", befand eine Prüfkommission und erreichte eine Verschiebung der Sendezeit: Auf MTV Germany darf
die "Jackass"-Mannschaft nur
noch nach 22
Uhr ihre Späße
treiben. Die nötigen Voraussetzungen für den "Jackass"-Kinostart hierzulande scheinen
somit bereits geschaffen. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.10./1.11.2002)
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