Wirtschaft
EU-Gericht kippt neuerlich Fusionsverbot
Zweite Schlappe für die EU-Kommission innerhalb einer Woche - Monti: "Schwerer Schlag"
Brüssel/Luxemburg - Zum zweiten Mal binnen einer Woche
hat die EU-Justiz ein von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti
verhängtes Fusionsverbot wegen schwerer Mängel kassiert. Das Veto zum
Zusammenschluss des weltweit führenden Kartonverpackungsherstellers
Tetra Laval ("Tetra Pak") mit dem französischen Anlagenbauer Sidel
sei aufgehoben, urteilte das EU-Gericht erster Instanz am Freitag in
Luxemburg. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti zeigte sich enttäuscht
und erklärte: "Das ist ein schwerer Schlag für uns.""Begründungsfehler"
Das Gericht warf den EU-Wettbewerbshütern unzureichende Beweise
und eine "Reihe offensichtlicher Begründungsfehler" vor. Die
Kommission habe die wettbewerbsschädigenden Folgen des
Zusammenschlusses überschätzt, schrieb das Gericht. Brüssel hatte vor einem Jahr den Einstieg des ursprünglich
schwedischen Tetra Laval-Konzerns mit Sitz im schweizerischen
Lausanne beim großen Anlagen- und Plastikflaschenhersteller Sidel
verboten. Die Fusion hätte den Wettbewerb auf dem Verpackungsmarkt
für flüssige Lebensmittel erheblich eingeschränkt, befürchteten die
Wettbewerbshüter.
Tetra Laval-Chairman Göran Grosskopf begrüßte auf einer
internationalen Telefonpressekonferenz den Gerichtsbeschluss und
erklärte, der Konzern wolle die Fusion mit Sidel weiter verfolgen.
"Wir hoffen auf eine schnelle Antwort der Kommission, um Sidel in die
Tetra Laval-Gruppe aufzunehmen." Eine Entscheidung dürfte
voraussichtlich Anfang 2003 fallen.
Reform-Vorschläge
Kommissar Monti äußerte sich nicht zu diesem Ansinnen. Er kündigte
Vorschläge zur Reform der Fusionskontrolle bis Jahresende an. Künftig
solle es möglich sein, innerhalb des zeitlich strikt geregelten
Fusions-Kontrollverfahrens "die Uhr anzuhalten" und damit voreilige
Entscheidungen zu vermeiden. Auch künftig sollten die
Wettbewerbsregeln "streng und fair" angewandt werden.
Monti gab zu erkennen, er werde persönlich keine Konsequenzen aus
den Gerichts-Niederlagen ziehen. Erst am Dienstag hatten die
EU-Richter das Kommissionsverbot zum Zusammenschluss der
französischen Elektrokonzerne Schneider und Legrand gekippt.
Der italienische Wirtschaftsprofessor muss in den nächsten zwei
Monaten entscheiden, ob er gegen das Urteil vor dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) Berufung einlegt. Bereits im Juni hatte das
Gericht das Veto Brüssels gegen den Verbund der britischen First
Choice Holidays mit dem Konkurrenten Airtours zum weltgrößten
Reiseveranstalter für nichtig erklärt. Monti war gegen dieses Urteil
nicht beim EuGH vorgegangen.
18 Verbote
Die EU-Kommission prüft seit 1990 große Firmenfusionen, wenn
bestimmte Umsatzschwellen überschritten werden. Von über 2100
Zusammenschlüssen wurden bisher 18 verboten. Eine weitere offene
Klage in Luxemburg betrifft das Kommissions-Veto zur Fusion von
General Electric und Honeywell in der US-Elektrobranche. (APA)